Gezuckertes Schlagobers statt Darmwind mit fünf A

Andouillette
AndouilletteErich Kocina
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Im Grunde ist es nicht viel mehr als gezuckertes Schlagobers, doch auf Französisch klingt es gleich nach viel mehr. Die „Crème Chantilly“ war es auch, die zum Abstecher in die gleichnamige (ohne Crème) Gemeinde im Département Oise in der Region Picardie motivierte. Dass sie dort auf keiner Speisekarte stand, war zwar enttäuschend, doch hat die französische Küche auch abseits süßer Desserts einen guten Ruf. Eine offensichtlich besondere Spezialität der Region erregte das größte Interesse – schließlich wurde ihr auf dem Menüplan nicht nur ein Triple-, sondern gleich ein Quintuple-A attestiert: „Andouillette AAAAA“, da konnte ja nichts schiefgehen. Der freundliche Kellner nahm sich viel Zeit, das lückenhafte Französisch der Gruppe durch noch lückenhafteres Englisch und ein wenig Gestikulieren zu kompensieren. Die Kombination aus „Spécialité“ und einem Griff in die Bauchgegend ließ dennoch genügend Spielraum für Interpretationen.

Schließlich lag sie auf dem Tisch, die Andouillette. Kein Stück Fleisch, wie angenommen, sondern eine Wurst. Eine Wurst, aus der beim Anschneiden nicht nur zerschnittener Magen und Gedärme quollen, sondern auch ein Gestank, der sonst eher mit einer anderen Art von Wurst assoziiert wird. Die Tischgesellschaft stocherte ein wenig hilflos in den Pommes frites. Die Wurst jedoch blieb unberührt, weil jede Berührung noch mehr Geruch aus der Hülle zu blasen drohte.

Zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät, am Smartphone nachzulesen, dass es sich um eine Wurst aus Magen und Darm von Schweinen handelt, die nur wenig gewürzt wird, sodass der authentische Geruch der Organe erhalten bleibt. Die „Association amicale des amateurs d'andouillettes authentiques“ (AAAAA) schwört übrigens darauf. Für manche ist es eine Spezialität, für andere die stinkendste Wurst der Welt. Und das alles nur, weil sie kein Schlagobers hatten...

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2012)

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