Wie rassistisch der Begriff „Mohr“ wirklich ist

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Die Debatte um die Süßspeise „Mohr im Hemd“ ist erneut aufgeflammt. Sprachexperten wollen die Verteidigungsstrategie, „dass man es eben so gelernt hat“ nicht länger gelten lassen.

Wien. „Sprache ist eines der mächtigsten Mittel, das uns zur Verfügung steht.“ Und: „Sprache dient der Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen und Systeme und ist das wichtigste Medium im Umgang der Menschen miteinander.“ So steht es in der Broschüre „Macht und Sprache“, herausgegeben 2001 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Wie mächtig Sprache tatsächlich sein kann, zeigt die Debatte über den Begriff „Mohr im Hemd“. Neu ist sie nicht mehr, und dennoch wichtig. Die Notwendigkeit sprachlicher Sensibilisierung und die Aufklärung über solche rassistischen Begriffe lieferte vor rund zwei Wochen eine Presseaussendung des Vereins SOS Mitmensch über den aktuellen Newsletter „Gastro Aktuell“ des Fachverbandes Gastronomie. Dort wurde auf rassistische Speisenamen aufmerksam gemacht: „Die Gastronomie sollte als Branche, die sich der Gastfreundschaft verschrieben hat, hier aber mit gutem Beispiel vorangehen und auf derartige Bezeichnungen verzichten.“

Tatsächlich wird das Wort „Mohr“ nach wie vor in Speise- und Getränkebezeichnungen verwendet – und sogar in Firmenlogos (s. Artikel rechts unten)–, ohne dass die geschichtliche Bedeutung hinterfragt wird. „In einer demokratischen Gesellschaft sollte es Speisenamen, die bestimmte Menschengruppen herabwürdigen oder beleidigen, eigentlich nicht geben“, meint Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch. Dies sei aber immer noch ein bestehendes Problem in Teilen der Gastronomie. Das Bewusstsein dafür, klagt Pollak, sei noch zu wenig vorhanden, „und das ist schwer zu kommunizieren“.

Die Wurzeln des Wortes „Mohr“

Schwer zu kommunizieren ist es auch, weil viele die Bedeutung mancher Worte gar nicht kennen. So geht das Wort „Mohr“ etymologisch sowohl auf das griechische „moros“ zurück, das „töricht“, aber auch „dumm“ bedeutet. Aber auch auf das lateinische „maurus“, das für „schwarz“, „dunkel“ und „afrikanisch“ steht. Daraus wurde im Althochdeutschen „mor“ und davon der „Mohr“ abgeleitet.

So ist es im Band „Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache“, herausgegeben von den Bayreuther Literaturwissenschaftlerinnen Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Unrast Verlag), zu lesen. Darin werden rund 120 Alltagsvokabeln, die von Rassismus geprägt sind, besprochen.

Im Laufe der Geschichte wurde das Wort „Mohr“ für verschiedene Bevölkerungsgruppen benutzt. Negativ belegt war es aber schon von Anfang an. Es reduziert den Menschen auf seine Hautfarbe und Rassezuschreibungen. So ist das Wort „Mohr“ ein Begriff für einen unterwürfigen afrikanischen Diener, der versklavt wurde.

Die Bezeichnung „Mohr im Hemd“ hat in der österreichischen Kultur seit Langem ihren Platz und wird auch heftig verteidigt. „Es ist ein falsches Verständnis von Tradition und Traditionserhaltung vorhanden“, meint Pollak, „auch die Geschichte von Bezeichnungen muss hinterfragt werden.“ Das meint auch Ulrike Thumberger, Sprachwissenschaftlerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das oft angeführte Argument „Ich habe es aber so gelernt“ sei problematisch: „Auch wenn solche Bezeichnungen als vermeintlich wertfrei gelernt und jahrelang benutzt wurden“, sagt Thumberger, „können sie für andere Menschengruppen beleidigend sein.“ Thumberger plädiert für ein stärkeres Sprachbewusstsein. Allerdings: „Ab wann die Ausgrenzung durch die Sprache erfolgt“, sagt Rudolf de Cillia, Professor am Institut für Sprachwissenschaft an der Uni Wien, „muss man sich genauer anschauen.“ Es hänge davon ab, wer mit wem in welcher Situation spricht.

„Südsee-“ statt „Negerkönig“

Dass rassistische Begriffe nicht unersetzbar sind, zeigte etwa im Jahr 2009 der Verlag Friedrich Oetinger – er veränderte Bezeichnungen in den Pippi-Langstrumpf-Büchern. Der ursprüngliche „Negerkönig“ hieß dann etwa „Südseekönig“. Auch in der Lebensmittelbranche gibt es genügend neutrale Wörter, die die Bezeichnung „Mohr im Hemd“ ersetzen können, wie etwa Schokolade- oder Kakaokuchen mit Schlag.

Über die derzeitige Debatte ist auch Kritik seitens der schwarzen Community nicht zu überhören. „Mich wundert es, warum wir überhaupt auf diesem Niveau über die Hintergründe von Begriffen diskutieren müssen“, sagt Nana-Gyan Ackwonu, Sprecher des Vereins Pamoja, einer Bewegung der jungen afrikanischen Diaspora in Österreich. „Es müsste endlich klar sein, dass diese für Schwarze rassistisch sind.“ Und als Schwarze wolle man auch selbst definieren, was man als rassistisch empfinde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2012)

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