Er werde die Kandidatur nicht zurückziehen, sagt Pfarrgemeinderat Florian Stangl zur „Presse“. Kardinal Schönborn führt die Gespräche mit den „ungehorsamen“ Pfarrern fort.
Stützenhofen/Wien. Verhärtete Fronten vor dem Gespräch heute, Samstag, zwischen Kardinal Christoph Schönborn und einem gewählten Pfarrgemeinderat, der bekennender Homosexueller ist. Florian Stangl kündigt im Gespräch mit der „Presse“ an, er werde seine Kandidatur nicht zurückziehen. Ein derartiger Verzicht wäre für Schönborn die eleganteste Lösung des Konflikts gewesen.
„Ich werde von mir aus nicht auf die Kandidatur für den Pfarrgemeinderat verzichten. Ich werde nur dann nicht Pfarrgemeinderat, wenn es kirchenrechtlich absolut nicht geht.“ Dies erklärte Stangl am Freitag. Der 26-Jährige lebt mit einem Mann in eingetragener Partnerschaft.
Im Umfeld Schönborns wird argumentiert, laut geltender Pfarrgemeinderatsordnung hätte er in Stützenhofen (Niederösterreich) für die Wahl gar nicht aufgestellt werden dürfen. Stangl hat zu den tagelangen öffentlichen Diskussionen bisher geschwiegen. Jetzt sagt er: „Die Diskussion ist für mich sehr unwirklich. Ich hätte nie gedacht, dass das Thema so viele interessiert.“ Er habe seit dem Publikwerden der Causa viel Zuspruch für seine Haltung erhalten.
Ob er denkt, als Homosexueller von der katholischen Kirche ausreichend ernst genommen zu werden? Stangl: „Ich fühle mich schon ernst genommen, sonst würde es nicht das Gespräch mit dem Herrn Kardinal geben.“
Einen Gegensatz zwischen seiner Lebensform und der Lehre der Kirche sieht Stangl ausdrücklich nicht: „Ich fühle mich der Lehre der Kirche verpflichtet. Forderungen nach Keuschheit zu stellen, ist aber relativ fern von der Lebensrealität. Wie viele Menschen leben keusch?“ Damit nimmt er Bezug auf den Weltkatechismus, der vor 20 Jahren unter Federführung Schönborns erstellt wurde. Darin werden Homosexuellen Respekt und Achtung zugesagt. Aber es wird ihnen auch Keuschheit abverlangt.
Ungehorsam: Kurie für Gespräche
Stützenhofen/Wien. Während das Gespräch mit Florian Stangl also noch ansteht, werden hinter den Kulissen mit der Pfarrerinitiative bereits seit einiger Zeit Gespräche geführt: „Es ist eine Situation, die durchaus in Bewegung ist“, sagte Kardinal Schönborn am Freitag bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz. Auch mit der Kurie in Rom hätten die österreichischen Bischöfe vereinbart, dass die Gespräche mit den Pfarrern fortgesetzt würden, die mit ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“ für Aufsehen gesorgt hatten.
Eine „Pattsituation“ mit jeweils festgelegten Positionen stellte der Kardinal jedenfalls in Abrede – die Pfarrerinitiative habe schließlich einen „modifizierten Text“ mit ihren Forderungen veröffentlicht.
Schönborn verwies am Freitag auch auf den Hirtenbrief des Grazer Bischofs Egon Kapellari: Darin habe dieser versichert, alles Mögliche zu tun, um Reformen fordernde Katholiken „im großen Schiff“ der Kirche zu halten. Es dürfe aber niemand unrechtmäßig das Steuerruder der Kirche ergreifen. Die Bischöfe würden hinter dem Schreiben stehen, so Schönborn.
Missbrauch: Vieles verschwiegen
Auch die neu aufgekommenen Missbrauchs-Verdachtsfälle im Stift Kremsmünster in Oberösterreich sowie im Bregenzer Zisterzienser-Kloster Mehrerau sind zur Sprache gekommen. Für Schönborn seien die neuen Vorwürfe „bestürzend“. Es handle sich um „massive Vorwürfe“, die „sehr betroffen“ machten, sagte der Erzbischof. Die katholische Kirche sowie betroffene Einrichtungen seien für „volle Aufklärung“.
Schönborn gestand abermals ein, dass in Zusammenhang mit Missbrauchsfällen vieles verschwiegen worden sei. Allerdings gebe es zu manchen Fällen keine Unterlagen mehr, auch mutmaßliche „Täter reden nicht mehr“. Zugleich rief Schönborn auf, sich bei der Klasnic-Kommission zu melden, wobei es unerheblich sei, ob Fälle verjährt seien oder nicht.
Indessen steht fest, wie das von Papst Benedikt XVI. ausgerufene „Jahr des Glaubens“ anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober in Österreich beginnen soll: mit geöffneten Kirchentüren.
Auf einen Blick
Pfarrgemeinderat. Der neu gewählte Pfarrgemeinderat Florian Stangl lebt in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann. Laut Pfarrgemeinderatsordnung hätte er sich nicht aufstellen lassen können, heißt es innerkirchlich. Heute, Samstag, findet ein Gespräch zwischen Stangl und Kardinal Christoph Schönborn statt. Stangl wird dabei seine Kandidatur nicht zurückziehen, sagt er der „Presse“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2012)