"Nørderd": Der weiche Wodka aus dem Waldviertel

weiche Wodka Waldviertel
weiche Wodka Waldviertel(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Biobauernfamilie Ackerl entschloss sich vor drei Jahren, ihre "Lady Balfour"-Erdäpfel zu hochwertigem "Nørderd"-Wodka zu verarbeiten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Die Idee, mitten im Waldviertler Nirgendwo aus Bioerdäpfeln hochwertigen Wodka herzustellen, ist genauso entstanden, wie man es sich vorstellt, wenn man zum ersten Mal davon hört. Ein Freund der Familie sei es gewesen, erzählt Elisabeth Ackerl, Mitgründerin und Geschäftsführerin der Wodka-Hersteller „Nørderd“, dem es bei einem Besuch am Biobauernhof der Ackerls „nicht so gut gegangen sei“.

Sprich: Er hatte am Vorabend ein wenig über den Durst getrunken – und zwar von einem bestimmten schwedischen Wodka. „Wenn der wenigstens gut gewesen wäre – das müsste man doch besser machen können“, klagte der Gepeinigte seinen Gastgebern bei einem Spaziergang entlang der Waldviertler Teichlandschaft – und brachte das Ehepaar damit auf eine Idee.

Denn die Ackerls, die die Familienwirtschaft in Unterpertholz, wenige Kilometer diesseits der tschechischen Grenze, schon 1988 auf biologische Landwirtschaft umgestellt hatten – „damals hat man uns noch ausgelacht, da gab es noch keine Förderungen, nix“, sagt Elisabeth Ackerl heute –, hatten gerade die Lagerhallen voll mit Erdäpfeln der englischen Sorte „Lady Balfour“.


Ein Designshop in Waidhofen. Und die verkauften sich nicht sonderlich gut. „Die Lady Balfour ist unter Kennern sehr beliebt – eigentlich ist sie die typische englische Bio-Ofenkartoffel: Sie hat keine hohe Stärke“, erklärt Ackerl. Die Österreicher hätten ihre Kartoffeln aber am liebsten goldgelb – und das kann die englische Lady nicht bieten: Das Fruchtfleisch der Balfour ist recht hell und geht schon ins weiße.Und so nahm die Idee vom Erdäpfelwodka vor mittlerweile vier Jahren Gestalt an: Noch 2008 testete man in einem ersten Brenndurchgang die Eignung der Kartoffeln – und begann im Jahr darauf mit der serienmäßigen Herstellung von Wodka.

Heute steht Elisabeth Ackerl als Hausherrin im Büro von Nørderd, das von seinem Design her, von seiner minimalistischen Einrichtung, eher zu den schicken Läden des Wiener Spittelbergs passen würde als zu seiner tatsächlichen Adresse am Hauptplatz von Waidhofen an der Thaya. Die gläserne Verkaufstheke ruht auf mit faustgroßen Steinen gefüllten Gitterquadern, aus deren Mitte kühles, blaues Licht strömt – wie auch aus den Kühlschränken, in denen das wertvolle Gut der Ackerls lagert: „Nørderd. Pure Potato Vodka“ steht auf den eleganten 0,7-Liter-Weißglasflaschen.

Fünf Kilogramm Kartoffeln von den Biofeldern der Ackerls – „wir hätten genug auf Lager, um rund 20.000 Liter machen zu können“, sagt die Bäurin und Unternehmerin – gehen je Flasche auf. Sie werden zunächst per Walze zerkleinert, mit Wasser zur Maische vermengt, in einem Kessel erwärmt und mit Enzymen versetzt. Durch die Zugabe von Hefekulturen beginnt dann die 72-stündige Vergärung zu Alkohol.

An diesem Punkt, betont Ackerl, liege die nächste Besonderheit ihres Biodrinks: In der herkömmlichen Produktion käme zur Schaumbremsung in diesem Stadium regelmäßig Silikon zum Einsatz – für den Nørderd-Wodka verwende man dagegen abermals ein Naturprodukt: Leinöl.

Danach folgt ein mehrstufiger Brennvorgang, bei dem zunächst 85-prozentiger Rohalkohol entsteht, der am Ende durch Beigabe von Wasser, wiederholtes Destillieren und Filtern zu reinem, der Tradition entsprechend 40-prozentigem Wodka wird. Im Fall von Nørderd ist das Ergebnis ein verhältnismäßig weicher, fast schon süßlicher Wodka, der dem Ideal des Getränks entsprechend kaum noch Fuselöle oder andere Aromen außer seiner natürlichen Schärfe enthält – zumindest der aktuelle Jahrgang. „Das Produkt ist, wie es ist“, wirbt Ackerl: „Wir können nicht garantieren, dass es immer gleich schmecken wird, weil wir auf künstliche Aromen oder Regulierstoffe verzichten.“

Während des Produktionsprozesses legt das Nørderd-Produkt übrigens eine ziemliche Distanz zurück: Die im Waldviertel geernteten Kartoffeln werden zum Brennen ins Weinviertel gebracht, die Verfeinerung und Abfüllung passiert dann im Südburgenland – jeweils bei erfahrenen Spezialisten. Wie diese Transportwege mit dem Nachhaltigkeitsanspruch der Biowirtschaft zusammenpassen? „Wenn man sich anschaut, welche Distanzen herkömmlicher Wodka zurücklegt, bis er beim Kunden ankommt, ist das im Vergleich nichts“, sagt Elisabeth Ackerl.


Ein Hauch von Red Bull. Ein heikler Punkt, ist doch die Nachhaltigkeit und Regionalität ein Kernelement der Marke Nørderd, die eine Werbeagentur im Auftrag der Ackerls und ihres Geschäftspartners Nikolaus Tiefenböck – jenes Freundes, der den Anstoß für die Wodkaproduktion gab – erfunden hat. „Die wahre Kraft der Erde“ heißt es etwa in der Werbelinie, „100% biologisch“ und natürlich „Brandneu aus dem nördlichsten Österreich“.

Das Design – Kritiker könnten sich angesichts des starken Namens, der transparenten Flasche und des stahlblauen Hintergrundes stark an eine etablierte Wodkamarke erinnert fühlen – ist Teil einer Marketingstrategie, die vor allem auf aktive, junge Menschen abziele, erklärt Elisabeth Ackerl: Man wolle sich einige Anleihen bei Red Bull holen – die Organisation von Events etwa oder die Einbindung junger Sportler. Gleichzeitig versucht Nørderd aber, mit dem Bio-Aspekt zu punkten: In Wien ist der Wodka etwa nicht nur in In-Bars wie Freiraum, dem 25hours Hotel oder der Wäscherei zu bekommen, sondern auch etwa über den Biokistenhändler Adamah – wo die 0,7-Liter-Flasche mit 36Euro zu Buche schlägt. Bio muss es dem Kunden eben wert sein.


„Herkömmlich Denken ist Hindernis.“ Seit dem offiziellen Start des Verkaufs 2010 habe sich die Marke gut entwickelt, sagt Ackerl. „Natürlich haben wir am Anfang einmal stark investieren müssen, um die Marke aufzubauen“ – aber mittlerweile sei man an einem Punkt angelangt, wo der Handel mit dem Wodka tragfähig werde – das Getränk komme „wirklich gut an“.

Während sich die 45-Jährige inzwischen vor allem dem Wodkageschäft widmet, ist Johann Ackerl heute vor allem in der Pur-Biovertriebsgesellschaft tätig, die er 2003 mit anderen Bauern gegründet hat – sie soll Biolandwirten gegenüber Handelskonzernen mehr Gewicht verleihen. Mittlerweile gehören Pur rund 150 Bauern an. Für Kartoffelnachschub vom Ackerl-Hof in Unterpertholz sorgen inzwischen auch die beiden Söhne der Familie, die im Betrieb mithelfen.

Wie es die – manchmal doch recht konservative – Waldviertler Nachbarschaft aufgenommen habe, dass die Ackerls jetzt nicht mehr nur Kartoffeln produzieren – sondern sie auch hochprozentig verarbeiten? Eine Frage, der Ackerl ausweicht: „Sagen wir so: Es ist nicht ganz leicht, in Waidhofen etwas Neues zu machen.“ Entmutigen lassen habe sie sich dadurch aber nicht: „Herkömmliches Denken ist ein Hindernis“, sagt die überzeugte Biobäuerin: „Wenn man immer nur macht, was es schon gibt, kommt man nie weiter.“

Nørderd

2008 hat das Ehepaar Ackerl erstmals aus ihren Bioerdäpfeln Wodka gebrannt – 2010 gelangte er über das Waldviertel hinaus in den Handel. Erhältlich ist er unter anderem in Bars wie Freiraum, Wäscherei, The Ring und dem 25hours Hotel sowie bei Bioläden und -Zustellern. Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.