Kleinbauer: "Ich will keine Förderungen"

Kleinbauer will keine Foerderungen
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Erich Perger hat 30 Hektar Land, elf Milchkühe und 20 Rinder. Von einem Kleinbauern, der um seine Existenz kämpft – und trotzdem mit niemandem tauschen möchte.

Anfang August hat Erich Perger eine ordentliche Katastrophe erlebt. Auf einem Steilhang vergaß er, die Handbremse seines Mähdreschers ganz anzuziehen. Er musste zusehen, wie sein John Deere unerbittlich bis ganz nach unten rollte. „Er ist wie ein Skispringer über einen Felsen in den Wald geschossen.“ Ein Wunder, dass er überhaupt geborgen werden konnte.

10.000 Euro – das ist fast so viel, wie ihm seine elf Milchkühe im Jahr einbringen. Oder so viel, wie er und seine Frau jedes Jahr in die Sozialversicherungskasse einzahlen. Oder so viel, wie sein gebrauchter Mercedes gekostet hat, den er den Kindern zuliebe gekauft hat. Und weil er geräumig und sicher ist und vergleichsweise wenig verbraucht, sagt Perger.

Pergers Hof im oberösterreichischen Mitterkirchen kommt dem Klischee eines Bauernhofs sehr nahe: Auf dem Gelände gackern freilaufende Hühner, ein paar Katzen streunen über den Platz vor dem alten Vierkanthof. Und Erich Perger ist um zehn Uhr am Vormittag schon seit Stunden bei der Arbeit. Es ist ihm unangenehm, dass er nicht zum Aufräumen gekommen ist – er hätte den Hof lieber blitzblank präsentiert. Aber die Zeit ist knapp: Im Sommer arbeitet er 90 Stunden in der Woche, um den Familienbetrieb in Schuss zu halten. Seine Frau Maria und seine vier Kinder helfen ihm dabei. Früher hat er nebenbei Autos repariert, um die Bilanz sauber zu halten. Auf Urlaub fährt er selten: In den letzten Jahren hat er ein paar Busreisen innerhalb Europas gemacht. Ein paar davon nach Brüssel zum Protestieren. In Übersee war er noch nie.

Perger baut Getreide und Gewürze an, er hält Rinder und Milchkühe. Mal läuft es mit der Milch gut, dafür bringt die Gerste nichts ein. Derzeit krankt es an den Gewürzen. Im Lager hat er „zwölf Tonnen vom schönsten Kümmel“. Eine der besten Ernten, die er seit Langem hatte. Aber er ist hin- und hergerissen. Denn die Preise für Kümmel befänden sich im freien Fall. „Eigentlich müsste ich die Hälfte der nächsten Ernte killen. Aber ich bin dazu nicht imstande. Obwohl ich weiß, dass ich es vielleicht einmal bereuen werde.“


Die Milchkuh als Versicherung. Im Moment würde er 88 Cent für ein Kilo Kümmel bekommen. In seiner besten Zeit waren es 1,70 Euro – das ist etwas weniger als der Preis für eine Packung mit 32 Gramm heute im Supermarkt. Aber es waren auch schon einmal 57 Cent. „Eine gute Ernte in Europa, und schon hast du ein Problem“, sagt Perger mit einem Anflug von Resignation in der Stimme. „Nicht einmal durch den Umstieg auf Gewürze bin ich vom Weltmarkt verschont.“ Aberzu seinem Glück hat er noch eine „Arbeitsplatzversicherung“: Sie steht in einem Stall hinter seinem Haus und ist das Erste, worum er sich jeden Morgen kümmert. „Mit den Kühen überleben wir, wenn wir auf dem Weltmarkt kein Glück haben“, sagt der 55-Jährige. Hier hört das Klischee auf: Namen haben die elf Kühe und vier Kälber zwar, aber Perger kennt sie nicht. Sie sind nur in den Akten aufgeschrieben, um bei den Kontrollen den Überblick zu behalten.

Nach dem Aufstehen geht der Landwirt in den Stall und striegelt sie, das sei gut für die Bindung. Seine Kühe lieben ihn, sagt er. Er bekommt dafür im Schnitt 80.000 Liter Milch pro Jahr, und bei den derzeitigen Preisen pro Liter rund 15 Cent unter dem Strich, also netto. Aber es sei auch schon vorgekommen, dass er umsonst gearbeitet habe.

Seine Lieblingskuh ist im November gestorben, kurz bevor sie ihr Kalb auf die Welt bringen sollte. Ihr Vorderfuß hatte sich in der Halsschlinge verfangen, sie brach sich einen Hinterfuß. Das Kalb überlebte durch einen Kaiserschnitt. Aber Perger musste zusehen, wie die Mutterkuh mit einem Schuss durch den Fleischer notgeschlachtet wurde. So etwas macht ihn jedes Mal aufs Neue traurig. „Ich glaube, dass jeder, der Kühe hält und 365 Tage im Jahr an sie gebunden ist, eine Liebe zu seinen Tieren haben muss.“ Da fängt das Klischee wieder an.

Keine Zeit zum Geldausgeben. Zwar hätte er sich auch ein Studium vorstellen können, wie sein älterer Bruder, der heute an der Universität unterrichtet. Aber die Tradition wollte es, dass der Jüngste das elterliche Erbe antritt. Die viele Arbeit habe auch ihren Vorteil: Man habe keine Zeit, Geld auszugeben. Für sich privat verbraucht er fünf Euro in der Woche, bei den Frühschoppen bei seinen Nachbarn. Die restliche Zeit ist er bei der Arbeit. „Natürlich kämpfe ich um meine Existenz“, sagt Perger. Im Moment sei die Lage gar nicht so schlecht. „Aber wenn einer erkrankt, spielt's Granada.“

Perger ist einer der glücklichen Landwirte, die für sich eine Nische gefunden haben. Er baut Kräuter an und liefert sie ins Ausland. Das ist die „Butter aufs Brot“, erzählt er mit einem zufriedenen Schmunzeln. Damit will er seinen Kindern ein Startkapital aufbauen. Er hat eine Tochter und drei Söhne, fast alle haben eine landwirtschaftliche Ausbildung. Aber er wünscht sich, dass sie sich noch ein zweites Standbein sichern. Weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, ihnen nicht noch eine andere Ausbildung zu ermöglichen. Den Hof soll sein jüngster Sohn bekommen.

Gottverdammte Almosen. Perger ist gern Bauer. Das ist ein Beruf, in dem er eigentlich sehr glücklich sein könnte, sagt er. Wäre da nicht das System, das er so sehr hasst. Wenn er über Subventionen zu sprechen beginnt und darüber, wie in der Öffentlichkeit über seinen Berufsstand diskutiert wird, dann wird seine Stimme höher, aufgeregt, seine Augen weiten sich vor Ärger.

Jedes Jahr fließen über zwei Milliarden Euro an die heimische Landwirtschaft, der größte Teil kommt aus den Fördertöpfen der EU. Perger nennt das die „Almosenwirtschaft“, in der die Bauernschaft gefangen sei: „Seit wir da reingeraten sind, rechnet dir jeder Eisenbahn-Frühpensionist im Gasthaus vor, was du ihn kostest. In Wirklichkeit ist es umgekehrt.“ Er zahle über 10.000 Euro im Jahr in die Sozialversicherung ein. „Schließlich sind wir die Nahrungsmittelproduzenten des Landes. oder glauben die Menschen, ihr Essen wächst im Supermarkt.“ An der Misere sei auch seine Interessensvertretung schuld, die die Bauern pauschal zu Sozialfällen gemacht habe. „Und jetzt stehen wir da wie die Volksschädlinge.“ Aus dem Bauernbund ist er deshalb ausgetreten. „Diese gottverdammten Almosen. Ich will keine Förderungen. Es ist für mich entwürdigend, so viel zu arbeiten und doch ein Sozialfall zu sein und die für die meisten Bürger das Feindbild eines Großgrundbesitzers darzustellen. Da brechen dann schnell alte Feindschaften und Vorurteile auf. “


Betteln, dass wer den Mais abnimmt. Doch leider sichern die Förderungen Pergers wirtschaftliches Überleben – so wie auch das der meisten anderen Kleinbetriebe in Österreich. Ohne Subventionen müssten viele von ihnen auf der Stelle zusperren. In einem schlechten Jahr kann es sein, dass es sich am Ende des Jahres trotz Förderungen gerade mal so ausgeht.

Kommt wieder ein Hochwasser, habe er sowieso umsonst gearbeitet. Perger rechnet vor, am Beispiel eines Hektars Mais: 200 Euro für Saatgut, 400 Euro für den Dünger, 140 Euro für das Dreschen, 200 für Maschineneinsatz und Diesel. Dazu kommen 300 Euro Sozialversicherung. Sind unter dem Strich 1240 Euro Kosten. In einem guten Jahr stehen auf der anderen Seite der Rechnung Einnahmen von 1750 Euro. Bei 20 Hektar Mais zum Beispiel ergäbe das einen Jahresgewinn von 5000 Euro. Die Förderungen sind da schon einberechnet.


Ein Rest von Freiheit. Und selbst ein gutes Jahr kann zu Ende sein, bevor die Ernte verkauft ist. „2008 hat man geschrieben, dass die Welt verhungert. Ich habe mich auf das gute Geschäft gefreut. Und dann kam eine gute Maisernte in Osteuropa. Plötzlich bin ich vor dem Lagerhaus gestanden und musste darum betteln, dass sie mir meinen Mais abnehmen“, sagt er. Das Maisgeschäft hat er aufgegeben. Aber auch bei Gerste, Dinkel, Mohn und Sojabohnen sieht es mit den Einkünften nicht viel besser aus. Inklusive Förderungen bleiben ihm in einem guten Jahr einpaar hundert Euro.

Wenn man ihn fragt, warum er sich das alles antut, denkt Perger erst einmal lange nach. Sehr lange. So, als wüsste er es zwar dem Bauchgefühl nach, könne es aber nicht richtig in Worte fassen. Nach einiger Zeit sagt er: „Weil man so geboren wird. Und weil allen Widrigkeiten zum Trotz Fragmente von Freiheit und Selbstbestimmung geblieben sind.“ Das mit dem Bauerndasein ist eben so eine emotionale Sache. „Der Mähdrescherfahrer stirbt vom Drescher runter. Das wird auch bei mir so sein.“

Die Bauernschaft

In Österreich gibt es rund 130.000 landwirtschaftliche Betriebe. Zwei Drittel davon sind Nebenerwerbsbauern. Ein durchschnittlicher Betrieb ist 19,3 Hektar groß.

2010 flossen 2,3 Milliarden Euro aus nationalen und EU-Fördertöpfen an die heimische Landwirtschaft. EU-weit werden jedes Jahr rund 50 Milliarden Euro an Subventionen verteilt.

Der Strukturwandel hat sich seit dem EU-Beitritt abgeschwächt. Davor gaben jährlich zwischen 2,5 und vier Prozent der Bauern auf. Derzeit sind es zwischen 1,5 und 2,5 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

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