Luxus: König sein im Reich der Träume

Luxus Koenig sein Reich
Luxus Koenig sein Reich(c) Teresa Zötl
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Je teurer das Duvet, desto tiefer der Schlaf? Das stimmt zum Leidwesen insomniegeplagter Schwerreicher nicht. Denn Schlaf lässt sich nicht kaufen. Dafür aber zum Erlebnis machen.

Ein entbehrlicher Luxus, den man sich nur in Ausnahmefällen gönnt, ist der Schlaf ja nun wirklich nicht. Denn grausig können die Folgen von Entzug oder freiwilligem Verzicht sein, das zeigt etwa Robert Schneiders Irrsinnsroman „Schlafes Bruder“. Auch in Thomas Glavinics „Arbeit der Nacht“ wird der Schlafentzug zur gruseligen Raison d'être eines geplagten Protagonisten, der wachend verhindern muss, dass sein Alter Ego – der „Schläfer“ – ihm die Existenz raubt. Hier wie da wird der Mangel an Schlaf in einem Atemzug mit dem in Auflösung begriffenen Selbst thematisiert.

Jenseits dieser existenziellen Dimension wäre es jedoch naiv anzunehmen, dass des Menschen Ausstattungsdrang ausgerechnet an der Schwelle zum Reich der Träume haltmacht. Auch hier genügt ein Seitenblick auf die Weltliteratur: Deren Paradebeispiele für den Behübschungswahn der Décadents finden sich samt und sonders in Joris Karl Huysmans' Roman „Gegen den Strich“: So wird dort denn auch in einem Passus ausgeführt, wie es Protagonist Jean Des Esseintes mit der Ausstattung seines Schlafgemaches halte. Nur zwei Möglichkeiten gebe es, erfährt der Leser: Entweder man schaffe einen opulent aufgeputzten „Ort der nächtlichen Delektation“ oder man richte sich einen „Platz der Einsamkeit und der Erholung ein, einen gedanklichen Rückzugsort“.

Schlafen mit allen Sinnen. Egal, ob man es mit Des Esseintes hält oder nicht, eine Krux bleibt: Anders als beim Essen, bei dem das lebensnotwendige Sinneserlebnis durch die Verwendung wohlschmeckender Ingredienzien verfeinert werden kann, hat das Drumherum auf die Qualität des Schlafes wenig Einfluss. Selbst ein Zehntausend-Euro-Eiderdaunen-Duvet wird Insomnie-Geplagte nicht ins Land der Träume schicken. Abhilfe könnte für Erholungsbedürftige – vor allem, wenn sie auch noch unter Zeitmangel leiden – aber aus dem Atelier von Künstler und Wahrnehmungsforscher Andreas Rodler kommen: „sha.“, wie er sich selbst nennt, hat zehn Jahre lang seine Idee eines Klangmöbels für die ideale Rezeption von Konzertmusik (Rodler studierte Komposition) weiterentwickelt.

Auf diese Weise nahm sein Konzept der „multisensorischen Gestaltung“ die Form einer Entspannungsliege namens „Alphasphere“ an. „Der ursprüngliche Klangmöbelentwurf wurde um andere Aspekte erweitert“, so Rodler, der für das Wiener „Haus der Musik“ die pränatale Geräuschkulisse in einem eigenen Erlebnisraum inszeniert hat. „Ich habe auch Farbe, Licht, Klang, Vibration und Temperatur in das Objekt integriert, und irgendwann war klar, dass das Ergebnis zu aufwendig für den anfangs gedachten Einsatz war.“ Der Tennistrainer Ronnie Leitgeb, der auf dem Prototypen (damals noch als Unikat gedacht) Probe lag, war so angetan vom synästhetischen Power-Napping-Erlebnis, dass er gleich zwei Alphaspheres bestellte. Das wiederum regte Rodler an, hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten seines Entwurfs etwas umzudenken.

Heute steht die Liege in Spas und Privathaushalten in 35 Ländern. „Auch in der Zentrale der DekaBank in Frankfurt gibt es zum Beispiel Alphaspheres“, erzählt Rodler. Illusion bezüglich der Motivation hat er allerdings keine: „Gerade im Businesskontext könnte natürlich erst recht wieder der Effizienzgedanke dahinterstehen.“ Schließlich beuge man durch adäquate Wellness- und Erholungsangebote an die Mitarbeiter Behandlungskosten und Ausfällen durch Stress und Burn-out vor.

Verinnerlichter Luxus. Zudem geht auch die Zeitersparnis-Milchmädchenrechnung auf, denn: „Es gibt Feedback von Ärzten, die auf Schlafforschung spezialisiert sind. Der Erholungseffekt von einer halben Stunde Alphasphere-Napping wurde mit vier bis fünf Stunden regulärem Schlaf gleichgesetzt.“ Wer also ähnlich effizient dahinleben will wie Margret Thatcher oder Napoleon und obendrein ein leuchtendes, klingendes Designobjekt bei sich daheim aufstellen möchte, überlege sich die Anschaffung einer 10.500 Euro teuren Alphasphere. Das Folgekonzept aus dem Hause sha. heißt „Wolke 7 Cloud 9“ und ist als Limited-Edition-Raumkonzept angelegt. Auch dafür schwebt der Kostenpunkt mit 54.000 Euro in recht wolkigen Höhen. „Die Zeichen stehen aber auf Verwöhnung im Sinn eines interiorisierten Luxus“, meint Rodler. „Der reine Repräsentationsdrang geht zurück.“

Diese Beobachtung teilt auch der Juniorchef des kaiserlich-königlichen Schlafzimmerausstatters „Zur Schwäbischen Jungfrau“ in Wien, Theodor Vanicek: „Ich habe nie verstanden, warum sich Leute lieber mit teuren Schuhen nach außen hin präsentieren und dafür ihr Zuhause eher vernachlässigen. Da gibt es aber jetzt ein Umdenken, scheint mir. Außerdem kann man ja nach und nach eine Ausstattung zusammentragen und muss nicht alles auf einmal kaufen.“ Bei der „Schwäbischen Jungfrau“ sind auf jeden Fall den Sonderwünschen und Ansprüchen keine Grenzen gesetzt. Man hat zwar auch fertige Ware im Angebot (zum Beispiel Elizabeth Taylors liebster Bettwäschemarke Pratesi), der Schwerpunkt liegt aber auf den in einer Werkstatt im achten Bezirk nach Maß gefertigten Produkten.

„Der Einstiegspreis für ein Set liegt bei etwa 250 Euro“, so Vanicek. Nach oben gebe es kaum Grenzen; je nach Stoffqualität, Größe, Ausstattung mit Monogrammen, Kordeln und Säumen lässt sich das Bett in eine Luxuslandschaft verwandeln. Unter den Kunden, deren Identität preisgegeben wird, findet man den König von Malaysia und den Prinzen von Katar ebenso wie Whoopie Goldberg. „Sie sind übrigens alle auf uns aufmerksam geworden, weil wir eine kleine Vitrine im Hotel Imperial bespielen, bei der jeder, der in den Frühstücksraum geht, vorbeikommt“, erklärt Vanicek die werbewirksamste Maßnahme der Firma.


Die teuerste Daune der Welt.
Damit sich auch Tierfreunde keine Sorgen über den Inhalt ihres luftig-leichten Luxus-Duvets machen müssen, empfiehlt sich ein Rückgriff auf das teuerstes Füllmaterial der Welt: die Daune, die von der im hohen Norden beheimateten Eiderente produziert wird. „Die Eiderdaune ist das einzige Füllmaterial, das gewonnen wird, ohne den Vögeln zu schaden. Sie wird nämlich aus Nestern geerntet, nachdem die Jungen flügge geworden sind“, sagt Albert Roth, Experte für Qualitätssicherung bei Billerbeck in der Schweiz, wo rund ein Fünftel der globalen Eiderdaunen-Jahresproduktion von zwei Tonnen pro Jahr verarbeitet wird. Um die 4500 Euro sind für eine mit etwa 700 Gramm Daunen gefüllte Decke in Standardgröße 140 mal 200 Zentimeter zu berappen. Das ist kein Pappenstiel, liegt aber noch unter der Schallmauer der Hermès-Handtaschen-Liga.

Dennoch: Wer aus Sorge um die finanziellen Verbindlichkeiten, die aus der Anschaffung eines solchen Duvets resultieren, wieder unruhige Nächte verbringt, sollte davon lieber Abstand nehmen. Das wäre dann nämlich gleich doppelt kontraproduktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

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