"Hellboy" und "Mr. Crazy": Piraten in Österreich wollen fünf Prozent

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die heimischen Piraten formieren sich am Sonntag in Wien. E-Voting lehnen sie ab, weil sie um die Missbrauchsgefahr wissen. Sie sind optimistisch, bei der Nationalratswahl 2013 bundesweit kandidieren zu können.

Wien. Österreichische Piraten haben es schwerer als deutsche – und das liegt nicht nur daran, dass es hierzulande kein Meer gibt. „Wir haben es vom Wahlgesetz her schwerer“, sagt Christoph Trunk, Sprecher der Piratenpartei. Denn in Deutschland könnten neue Parteien Unterstützungserklärungen auf der Straße sammeln. Um aber hierzulande bei Wahlen antreten zu können, muss man die Anhänger schon überzeugen, selbst aufs Gemeindeamt zu gehen und dort eine Unterstützungserklärung zu unterfertigen. 2600 solcher Erklärungen sind für ein bundesweites Antreten nötig.

Die Piraten zeigen sich dennoch optimistisch, bei der Nationalratswahl 2013 bundesweit kandidieren zu können. Fünf Prozent der Stimmen wolle man dabei erreichen, sagt Trunk im Gespräch mit der „Presse“. Der Grundstein dafür soll am kommenden Sonntag gelegt werden, wenn in Wien die Bundesgeneralversammlung der Piratenpartei tagt. Dabei gilt es, die wichtigsten Funktionen auf Bundesebene zu wählen. Die Kandidaten dafür nennen sich etwa „Hellboy“ oder „Mr. Crazy“ und geben in ihren Onlineauftritten Einblicke in ihre politischen Standpunkte. Wobei die Mitglieder des Bundesvorstands dann doch mit ihrem realen Namen auftreten werden, verspricht die Piratenpartei. Und programmatisch soll die Versammlung erst der Startschuss zur eigentlichen Debatte, die online geführt wird, sein. „Liquid Feedback“ heißt das Zauberwort, auf das die Partei setzt. Wenn ein Parteimitglied einen Antrag stellt, sollen alle anderen Abänderungsvorschläge machen können. Am Ende soll dann der Antrag stehen, über den es den stärksten Konsens gibt.

Doch wofür stehen die Piraten? Klar ausgesprochen hat sich die Partei etwa gegen das Anti-Produktpiraterie-Abkommen Acta oder gegen die Vorratsdatenspeicherung. Letztere tritt in Österreich am Sonntag in Kraft, also am selben Tag, an dem sich die Piraten formieren. Weiters fordert die Partei die Entkriminalisierung jeglichen Drogenkonsums. Einen weiteren Programmpunkt, das bedingungslose Grundeinkommen, will man am Sonntag noch ausgiebig diskutieren.

In Zeiten von „Wutbürgern“ und Korruptionsskandalen geben politische Beobachter neuen Parteien durchwegs Chancen. Vor allem aus dem Nichtwählerbereich könnten der Piratenpartei Stimmen zukommen. Das meinen auch die Piraten selbst, die gern betonen, weder rechts noch links zu stehen. Es gibt jedenfalls viele Themenbereiche, zu denen die Piraten bisher gar nicht Stellung bezogen. Auch Trunk will auf Nachfragen – etwa nach der Wirtschafts- und Bildungspolitik – noch wenig kundtun: „Wir möchten nicht einfach einen Blödsinn sagen, sondern vorher diskutieren“, erklärt er. Es werde aber verschiedenste Themengruppen geben. Und gerade im Bereich Soziales und Bildung würden sich auch mehrere Frauen in der Piratenpartei engagieren. Das ist in der vor allem mit Männern bestückten Partei durchwegs etwas Besonderes. Aber jeder solle sich nur in den Themenkreisen engagieren, die einem Freude bereiten, lautet das Credo der Piraten: „Wir halten nichts davon, die Hälfte des Bundesvorstands extra mit Frauen vollzustopfen“, meint der Parteisprecher. Neben Quoten lehnt man aber auch die elektronische Stimmabgabe bei Nationalratswahlen (E-Voting) nach dem aktuellen technischen Stand ab. „Das kann viel zu leicht manipuliert werden“, sagt Trunk. Gerade als Vertreter einer technisch versierten Partei wisse man das.

Neue Online-Partei OPÖ startet

Heute, Dienstag, stellt sich die Online Partei Österreichs (OPÖ) vor. Auch sie wolle per Internet Meinungsfindung betreiben, sagt Parteigründer Christian Obermayer. Im Gegensatz zu den Piraten dürften sich bei der OPÖ aber auch Nichtmitglieder vollwertig einbringen, verspricht Obermayer. Wofür er bzw. die OPÖ ideologisch stehen, wollte der Parteigründer noch nicht verraten. Er ortet aber ein „Wählerpotenzial von bis zu 20 Prozent“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

„Tyrannei der Masse“ oder Antwort auf Postdemokratie

Trendsurfen macht noch kein Parteiprogramm: Das werden die Nerds der Piratenpartei noch merken, doch einstweilen füllen sie ein politisches Vakuum.
Porträt des Tages

Frau Lehrling Drachenblut führt die Provinzpiraten an

Die 22-jährige Jasmin Maurer hat die saarländischen Computernerds gut im Griff – und brachte sie in den Landtag.
GERMANY SAARLAND STATE ELECTIONS
Außenpolitik

"Extrem glücklich": Piraten schaffen Sprung in Landtag

Nach der Landtagswahl im Saarland bleibt die CDU die stärkste Kraft vor der SPD. Die FDP verpasste den Einzug ins Parlament. Die Piratenpartei konnte vor allem die Nicht-Wähler mobilisieren.
CDU-Anänger in Saarbrücken.
Außenpolitik

Saarland-Wahl: CDU als stärkste Partei behauptet

Erste Prognosen geben den Christdemokraten um 35 Prozent, der SPD fast 31. Die Piratenpartei zieht in den Landtag ein, die FDP scheitert klar.
Kommentare

Mehr Pirat, weniger Staat

Gehört den Piraten die Zukunft? Im Binnenland Österreich eher nicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.