Trendforscher: "Wir machen einfach die Fenster auf"

Trendforscher machen einfach Fenster
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Matthias und Oona Horx leben mit ihren Söhnen und Haustieren in einem solarbetriebenen iHaus am Stadtrand von Wien und versuchen darin, das Leben einer Familie im 21. Jahrhundert zu erforschen und entwickeln.

Es ist aber auch wirklich nicht leicht. Da sucht man zwei, drei Jahre nach einem passenden Grundstück, plant aufwendig und höchst durchdacht einen Wohn- und Arbeitslebensraum nach ökologisch sinnvollen Aspekten und unter Bedacht wechselnder Lebenssituationen, zieht endlich ein und – hat dann nie seine Ruhe. Dieser Einstieg wird Matthias Horx nicht besonders gefallen, aber der Hausherr erweckt beim Besucher einfach den Eindruck, er trage zwei Seelen in seiner Brust. Die eine ruft laut und deutlich: Seht her, was wir da auf die Beine gestellt haben! Die andere ist nach den ersten eineinhalb Jahren im neuen Domizil der Anfragen neugieriger Journalisten ein wenig überdrüssig geworden.

„Das ist ein Problem, das stimmt. Sie können nicht privat und öffentlich zugleich leben“, sagt Horx. Der gebürtige Deutsche und seine irische Frau Oona Horx-Strathern, die sich Ende der 1990er-Jahre Wien als Lebensmittelpunkt ausgesucht haben, versuchen es trotzdem. Auch weil ihr „Future Evolution House“ eine Möglichkeit ist, nach mehreren Dutzend Büchern, tausenden Vorträgen und Interviews zum Thema Trend- und Zukunftsforschung praktisch zu zeigen, was sie erforschen, welche Veränderungen beim Wohnen und Arbeiten sie auf uns zukommen sehen. Und es sei weniger das Problem, anderen ihre Lebensweise zu zeigen, als „die unendlich vielen Missverständnisse“, mit denen das Paar dabei konfrontiert wird. Nicht wenige Besucher würden denken, dass alles vollautomatisch und über Roboter funktioniere, „und dann wundern sie sich über meinen Handrasenmäher“.

Trendforschung sei nicht Zukunfts- sondern vielmehr Gegenwartsforschung, so Horx. Das Haus sei daher kein Zukunftshaus (obwohl es so heißt), das nur so vor Technik strotzt, wie viele fälschlich glauben. „Man kann nicht in der Zukunft wohnen. Wir stellen hier einfach Trends dar.“ Im Unterschied zu anderen, unbewohnten Zukunftshäuser sei ihr Haus kein „Showhaus“, sondern bewohnter Lebensraum einer vierköpfigen Familie.

Dabei besteht „das Haus“ eigentlich aus zwei Häusern. Das zentrale Haupthaus besteht aus drei modularen Baukörpern, die durch architektonische Elemente getrennt, aber auch miteinander verbunden sind. Darin sind zwei Appartements für die Kinder (oder, wenn diese ausziehen sollten – „Die Kinder kommen oder gehen, wir wissen es nicht. Das ist unberechenbar“ – für Gäste oder Personal) untergebracht, ein zentraler Wohnbereich mit einer offenen Küche und dem Wohn- und Lebensbereich des Paares, der Besuchern prinzipiell nicht gezeigt wird.


Aktivhaus. Oberhalb des Haupthauses steht das sogenannte „Work-House“ mit einem kleinen Filmvorführraum, den Büros der Horx' und ihrem Sekretariat. Den Garten ziert ein Schwimmteich mit Pflanzen, der sich selbst, ganz ohne Chemikalien, reinigt. In großen Pflanzenkästen aus Korrosionsstahl werden Gemüse und Obst gezogen, so ganz ohne Technik funktioniert das aber nicht, die Schläuche der automatischen Bewässerungsanlage sind jetzt, da die Kisten noch winterlich karg sind, nicht zu übersehen.

Das Haus ist kein Passiv-, sondern ein Aktivhaus. Es verfügt nicht nur auf dem Dach, sondern auch an den Seitenfronten über einfach austauschbare Solarpaneele, die Sonnenenergie speichern. „Noch verbrauchen wir mehr Energie, als wir gewinnen“, sagt Horx. Sein Zukunftswunsch: Ein kleines Wärme-Kraft-Kopplungs-Gerät im Keller, das auch Strom liefert, wenn die Sonne nicht scheint. „Am liebsten mit Brennstoffzellentechnik, was derzeit noch unerschwinglich ist.“ Eine Brennstoffzelle im Keller würde 150.000 Euro kosten, die jährliche Wartung weitere 30.000 Euro. Die Dinge im Horx'schen Kosmos sollen vor allem multifunktional, dabei aber trotzdem einfach bedienbar sein. Die Familienmitglieder sollen die Möglichkeit haben, miteinander Zeit zu verbringen oder sich zurückzuziehen. Das funktioniert etwa mit elektronisch veränderbaren Glasfenstern, die von klar auf matt wechseln.

Das Futurehouse kann mit einem kleinen iPod-ähnlichen Gerät zentral gesteuert werden, was dem Haus den Spitznamen „iHouse“ eingebracht hat.


Prototypen zum Nörgeln. Weil sich die individuellen Lebensgewohnheiten einer Familie stets verändern und Technologien weiterentwickeln, wollen Horx und seine Frau auch das Leben in ihrem Haus ständig weiterentwickeln: „Deswegen heißt das Haus auch Evolution House.“ Beim Besuch im 4500 m großen Anwesen in Neuwaldegg am Rand des Wienerwaldes zeigt sich, was das bedeutet: Handwerker steigen durchs Bild, sprechen sich immer wieder mit Oona und Matthias Horx ab. Dabei kommunizieren sie bewusst, etwa auf der Homepage des Zukunftshauses, dass sie mit verschiedenen Unternehmen zusammenarbeiten, indem sie etwa Prototypen zum Testen bekommen und daran „herumnörgeln“ dürfen, wie Horx es nennt.

Auf einem unbebauten, parkähnlichen Grundstück ein energieproduzierendes, mitdenkendes Haus zu errichten, noch dazu mithilfe diverser Sponsoren, ist ja schön und gut, aber sind die Horx'schen Wohnideen auch auf die Masse umzulegen, auf schon bestehende Häuser? „Warum denn nicht?“, fragt Horx zurück. In Holland etwa wurden viele ihrer Ideen in einem Mehrfamilienhaus umgesetzt, einiges davon ließe sich auch in einem Gemeindebau machen.

Einige Ideen im Inneren des Hauses sind tatsächlich leicht umzusetzen: wie das Herunterfahren der Elektronik in den sozialen Bereichen. Familie Horx hat keinen Fernseher mehr im Koch-Wohn-Zimmer, da die Familienmitglieder sich zurückziehen, wenn sie auf iPad oder Laptop Filme schauen wollen. „Der Kamin ist unser Fernseher.“ Wenn die Familie doch einmal gemeinsam Filme schauen will, tut sie das im Heimkino im Work-House.

Das Badezimmer nutzen Oona und Matthias Horx als Wohnzimmer, in dem man sitzen und lesen kann. Während das Bad früher nur als kleines, kärgliches Hygienezimmer geplant wurde, würde es heute mehr und mehr zur Entspannungs- und Wellnessoase. Wieso sollte man denn kein Sofa in ein Badezimmer stellen dürfen? Um die Feuchtigkeit zu verhindern, brauche man auch keine komplizierten Belüftungssysteme: „Wir machen einfach die Fenster auf.“

Horx macht übrigens kein Hehl daraus, dass er das iPad als eine der wichtigsten technischen Errungenschaften jüngerer Zeit sieht. „Auch unser Haus hat viel damit zu tun, Technologie smart und instinktiv bedienbar zu machen.“ Das iPad habe mindestens zehn Geräte im Haus gefressen (von Radio bis Fernseher) und „unseren Papierkreislauf abgeschafft. Wir haben nur noch die ,Presse‘ auf Papier – nach dem Lesen zünden wir damit den Kamin an.“

Hausbewohner

Matthias Horx (geb. 1955 in Düsseldorf) und Oona Horx-Strathern (geb. 1963 in Irland, aufgewachsen in London) sind seit 1992 verheiratet und haben zwei Söhne (14, 18). Die beiden sind Trend- und Zukunftsforscher und führen das Zukunftsinstitut in Kelkheim und Wien. Sie beraten Unternehmen, halten Seminare, schreiben Bücher und arbeiten an ihrem Haus.

www.zukunftshaus.at Zukunftsinstitut/Vyhnalek

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

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