Die Vorstände der Wiener Börse warnen vor österreichischen Alleingängen bei Finanztransaktionssteuern und einer Dämonisierung des Kapitalmarkts. Birgit Kuras, fordert von der Politik bessere Rahmenbedingungen.
Wien/Höll. Die Wiener Börse blickt auf bessere Zeiten zurück: Die Handelsumsätze sind zuletzt stark zurückgegangen. In den vergangenen Jahren kehrten viele Firmen der Börse den Rücken. Beim Aktienbesitz gehört Österreich in der Europäischen Union zu den Schlusslichtern. Nur vier Prozent der Bevölkerung halten Aktien. In Deutschland sind es zwölf Prozent. Dies möchte Birgit Kuras, die neu in den Vorstand der Börse eingezogen ist, ändern.
Die frühere Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank legte am Dienstag mit ihrem Kollegen Michael Buhl das Programm für die nächsten Jahre vor. Kuras folgt Heinrich Schaller nach. Dieser wird neuer Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.
Politiker ins Boot holen
Kuras und Buhl verlangen von der Politik bessere Rahmenbedingungen, damit Aktien attraktiver werden: „Wir brauchen mehr Unterstützung von der Politik.“ Sollte Österreich im Alleingang eine Finanztransaktionssteuer einführen, wäre das der „Todesstoß für die Börse“, warnt Buhl. Genauso schädlich wäre es, wenn sich einzelne Länder in Europa für ähnliche Abgaben wie eine Börsenumsatzsteuer entscheiden.
Laut Buhl macht eine Finanztransaktionssteuer nur Sinn, wenn sie global umgesetzt wird. Sonst sei die Gefahr groß, dass die Börsenhändler auf andere Finanzplätze ausweichen. Schon jetzt werden am österreichischen Aktienmarkt 20 bis 25Prozent des Geschäfts über außerbörsliche Handelsplätze abgewickelt.
Weiters verlangen Kuras und Buhl von der Regierung die Abschaffung der Wertpapier-Kapitalertragsteuer und der Gesellschaftssteuer. Die Mitarbeiterbeteiligung soll durch höhere Freibeträge gestärkt werden. Eigen- und Fremdkapital sollen steuerlich gleich behandelt werden. Außerdem soll die Kapitalmarktbildung im Schulwesen verankert werden. Doch SPÖ und ÖVP sprechen sich gegen steuerliche Erleichterungen aus.
Kuras sieht in Österreich generell eine Dämonisierung des Kapitalmarkts: „Wenn wichtige Meinungsbildner die Börse als Tummelplatz von Zockern sehen, den man lieber nicht angreift und noch stärker regulieren muss, hat das psychologische Folgewirkungen.“
Interesse an der Börse in Sofia
Neuzugänge für die Wiener Börse sind gegenwärtig nicht in Sicht. Im November 2011 hatte Buhl gemeint, dass 2012 vier bis fünf Unternehmen an die Börse gehen könnten. Diese Erwartung habe sich nun „nach hinten verschoben“. Buhl hofft, dass es hier im zweiten Halbjahr 2012 Bewegung geben wird. Auf eine Zahl für mögliche Börsengänge will er sich nicht mehr festlegen.
Fortgesetzt werden soll die Osteuropa-Expansion. Vor Kurzem gab die bulgarische Regierung die Privatisierung der Börse in Sofia bekannt. Derzeit wird eine Investmentbank gesucht, die den Verkauf abwickeln soll. Im Sommer sollen Bieter eingeladen werden, Übernahmeangebote abzugeben.
„Wir sind interessiert“, betont Buhl. Dem Vernehmen nach sollen auch die Börsen in Frankfurt, London und Warschau die bulgarische Börse im Visier haben. Die Österreicher besitzen bereits die Mehrheit an den Börsen in Budapest, Prag und Laibach. Der Wert der Börse in Sofia wird auf zehn Mio. Euro geschätzt.
(APA)