Börsensteuer: Deutschland zwingt die EU zum Umdenken

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Berlin glaubt nicht mehr an eine EU-weite Finanzsteuer. Die Suche nach Alternativen hat schon begonnen. Aus Wien sind Durchhalteparolen zu hören, für Fekter wurde die Steuer „nicht zu Grabe getragen“. Die wichtigsten Fragen rund um die Steuer.

Wien. Am Montag hat der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble (CDU), seine Hoffnung auf eine EU-weite Finanztransaktionssteuer öffentlich begraben. Aus Wien sind derweil Durchhalteparolen zu hören: Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) erklärte am Dienstag nach dem Ministerrat, er wolle bei dem Thema „voll draufbleiben“. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) kann sich auch ein EU-Bürgerbegehren vorstellen.

Auch Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) will den Kampf  nicht aufgeben. Schäuble habe die Steuer „nicht zu Grabe getragen“, sagte sie am Abend im ORF. Ganz im Gegenteil, durch seine Aussagen werde der Druck (eine solche einzuführen) erhöht. Laut Fekter machen die geplante Steuer und die erwarteten Schwarzgeld-Einnahmen aus der Schweiz gemeinsam 0,6 Prozent der Gesamt-Einnahmen bis 2016 aus. "Da brauche ich keinen Plan B", so die Ministerin in der Sendung "Report".

„Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die umstrittene Finanztransaktionssteuer:

1. Warum glaubt der deutsche Finanzminister nicht mehr an eine Umsetzung?

Gegen eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene sind Großbritannien, Schweden, Malta, Zypern und Tschechien. Das größte Problem bei der Umsetzung ist der Widerstand aus London, wo es einen mächtigen Finanzplatz gibt. Investoren, die sonst in Frankfurt oder Wien handeln, könnten relativ einfach in die britische Hauptstadt ausweichen, zumal der Zeitunterschied gering ist. Eine Schwächung der Frankfurter Börse möchte Deutschland aber nicht riskieren.

2. Welche Länder sind jetzt noch für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer?

Österreich, Italien, Frankreich, Finnland, Belgien, Spanien, Portugal und Slowenien haben sich stets für eine Transaktionssteuer ausgesprochen. Deutschland gehört jetzt zu den Skeptikern, und auch eine Reihe von anderen Ländern hat Vorbehalte gegen eine Einführung, wenn sie nicht in der gesamten EU gilt. Frankreich ist indes vorgeprescht und hat eine Transaktionssteuer auf nationaler Ebene eingeführt – allerdings mit einer ganzen Reihe von Ausnahmen.

3. Welche Alternativen zur Finanztransaktionssteuer werden jetzt diskutiert?

Schäuble selbst hat eine Börsenumsatzsteuer als mögliche Alternative ins Spiel gebracht. Eine solche Abgabe gab es schon in vielen Ländern, bis zum Jahr 2000 auch in Österreich. Ein hoher EU-Funktionär meinte am Dienstag, so eine Steuer hätte nur Sinn, wenn zumindest Frankreich, Deutschland und die Niederlande sie einführten. Doch die niederländische Regierung steht dem Vorschlag ablehnend gegenüber. Auch Schäuble scheint bezüglich einer europaweiten Einführung wenig optimistisch zu sein, weswegen er sich für eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der bestehenden EU-Verträge ausspricht.

4. Was ist der Unterschied zwischen Börsenumsatzsteuer und Finanztransaktionssteuer?

Bei einer Börsenumsatzsteuer werden viele Finanztransaktionen nicht erfasst. Hauptsächlich trifft sie Aktien und Anleihen. Nach dem Willen von Schäuble sollten bei einer Neuauflage auch Termingeschäfte betroffen sein. Diese wären aber schwer zu treffen, weil sie – im Gegensatz zu Aktien – nicht an der Börse gehandelt werden müssen. Schon jetzt werden viele Geschäfte zwischen zwei Geschäftspartnern direkt abgewickelt. Auch der Hochfrequenzhandel würde von der einfachen Börsensteuer nicht erfasst. Diesen wollten die Befürworter der Transaktionssteuer aber einbremsen.

5. Ist bei der Börsenumsatzsteuer ein nationaler Alleingang denkbar?

Eine Börsensteuer könnte jedes Land allein einführen. Aus dem Büro von Finanzministerin Fekter heißt es aber, ein Alleingang sei „undenkbar“. Heftiger Widerstand kommt auch von der Wiener Börse: Vorstand Michael Buhl hält eine Börsensteuer, auch wenn sie in mehreren Staaten eingeführt wird, für den „Todesstoß der Wiener Börse“. Er fürchtet, dass neue Steuern den Handel auf außerbörsliche Handelsplätze und damit in die Intransparenz treiben.

6. Welche Einnahmen wären von einer Börsenumsatzsteuer zu erwarten?

Die österreichische Börsenumsatzsteuer, die es bis zum Jahr 2000 gab, brachte um die 70 Mio. Euro pro Jahr. In einem Jahr mit schwachen Umsätzen wären es vermutlich noch weniger. Stephan Schulmeister vom Wifo rechnet gar nur mit Einnahmen von 30 Mio. Euro. Zum Vergleich: Die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer sind im Sparpaket mit 500 Mio. Euro pro Jahr angegeben.

7. Wie geht es beim Thema Finanztransaktions- und Börsensteuer jetzt weiter?

Die Finanztransaktionssteuer wird diese Woche Thema beim informellen Finanzministertreffen in Kopenhagen sein. Laut Finanzministerin Maria Fekter würden dort „alle Pros und Kontras“ dargelegt. Eine Entscheidung darüber, ob das Projekt überhaupt weiterverfolgt wird oder welche Alternative man in Angriff nimmt, steht aber erst beim EU-Regierungsgipfel im Juni auf dem Programm.

("Die Presse", red.)

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