Ägypten: Säkulare boykottieren Verfassungskonvent

Katatni
Katatni(c) EPA (Str)
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Sie protestieren gegen die Dominanz der Islamisten. Nur 75 der 100 gewählten Mitglieder sind zur verfassungsgebenden Versammlung erschienen. Parlamentspräsident Katatni wurde als Leiter gewählt.

Boykottiert von Linken und Liberalen haben in Ägypten die Beratungen über eine neue Verfassung begonnen. Zur ersten Sitzung der verfassungsgebenden Versammlung erschienen nach Angaben ägyptischer Staatsmedien am Mittwoch nur 75 der 100 gewählten Mitglieder - die meisten von ihnen Vertreter der Muslimbruderschaft und der radikalen Salafisten-Partei des Licht. Gruppen des linken und liberalen Spektrums, wie die traditionelle Wafd-Partei, hatten zuvor aus Protest gegen die Dominanz der Islamisten ihren Rückzug aus dem Gremium angekündigt. In der Versammlung werden die Machtbefugnisse des Präsidenten und das Verhältnis von Staat und Religion entschieden. Beobachter rechnen damit, dass das islamische Recht, die Scharia, künftig eine größere Rolle in Ägypten spielen wird.

Am Wochenende hatten die Abgeordneten der Volksversammlung und des Schura-Rates die Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung gewählt. In beiden Kammern des Parlaments haben die aus der Muslimbruderschaft hervorgegangene Partei für Freiheit und Gerechtigkeit und die Salafisten eine deutliche Mehrheit. So setzten sich auch bei der Abstimmung der 100 Mitglieder des Gremiums knapp 70 Kandidaten durch, die dem islamistischen Lager zugerechnet werden. Nur sechs Frauen und fünf Christen gehören der Versammlung an.

Liberale Parlamentarier warfen der Muslimbruderschaft undemokratisches Verhalten vor, weil sie kurz vor der Abstimmung an ihre Mitglieder Listen mit den von ihnen zu wählenden Kandidaten verteilt hätten.

Naturwissenschaftler leitet das Gremium

Der Parlamentspräsident Saad al-Katatni von der Muslimbruderschaft ist am Mittwoch an die Spitze des Ausschusses gewählt worden. Der 59-jährige ist Naturwissenschaftler, hat sich in seinen Studien intensiv mit dem Islam beschäftigt und saß für seine Überzeugung im Gefängnis. Neben seiner akademischen Karriere als Professor für Botanik und Vorsitzender der Berufsgenossenschaft der Naturwissenschaftler widmete er sich karitativen Projekten und schloss sich der unter Mubarak offiziell verbotenen Muslimbruderschaft an. Für deren Partei Freiheit und Gerechtigkeit ist er nun Präsident des Parlaments und der verfassungsgebenden Versammlung.

(APA)

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