Die verschwenderischen EU-Agenturen

EU-Flaggen auf Halbmast vor dem Hauptgebäude der Kommission in Brüssel
EU-Flaggen auf Halbmast vor dem Hauptgebäude der Kommission in Brüssel(c) AP (Yves Logghe)
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Das EU-Parlament verweigert drei Agenturen die Entlastung ihrer Budgets. Diese gehen allzu leichtsinnig mit öffentlichen Geldern um. Empfehlungen des Europäischen Rechnungshofes wurden missachtet.

Brüssel/Wien. Intransparent, verschwenderisch, für Interessenkonflikte anfällig: Mit dieser vernichtenden Kritik verweigert das Europaparlament bis auf Weiteres drei wichtigen EU-Agenturen die Entlastung ihrer Budgets. Die Führungskräfte der Agenturen für Lebensmittel, Umwelt und Arzneimittel in Parma, Kopenhagen und London lassen ihre Ausgaben sorglos von Jahr zu Jahr ansteigen, missachten die Empfehlungen des Europäischen Rechnungshofes und legen ein Amtsverständnis an den Tag, das man gelinde gesagt als schwer problematisch beschreiben muss.

So wurden auf Drängen der Umweltagentur-Geschäftsführerin Jacqueline McGlade im Jahr 2010 für die Dekoration des Bürogebäudes in Kopenhagen 300.000 Euro an öffentlichen Geldern ausgegeben. Die stolze Summe hätte, so heißt es in einem anonymen Mail an das EU-Parlament, eigentlich wissenschaftlichen Zwecken zugeführt werden sollen. Stimmt nicht, sagt die Umweltagentur. Das Geld für die Pflanzendekoration sei dem Kommunikationsbudget entnommen worden. Zudem habe die Begrünung in Form des europäischen Kontinents einen bestimmten Zweck verfolgt: „Die Umweltagentur wollte das internationale Jahr der Biodiversität nutzen, um die Öffentlichkeit über die Blumen- und Pflanzenvielfalt Europas zu informieren“, sagt Pressesprecherin Iben Stanhardt zur „Presse.“ Die Kosten bezeichnet sie im Vergleich zu ähnlichen Projekten als „angemessen“.

Ins Jahr 2010 fällt ein weiterer Vorfall, der ein äußerst schlechtes Licht auf die Machenschaften der Agentur wirft: McGlade reiste damals mit mehreren Mitarbeitern ihrer Behörde auf fünf- bis zehntätige Reisen an schöne Plätze etwa in Griechenland, Botogo und auf den Bahamas, um „Projekte zur biologischen Vielfalt“ zu betreiben, die von der Nichtregierungsorganisation „Earth Watch“ betrieben wurden. Die stellte der Umweltagentur, deren Budget fast zur Gänze von den europäischen Steuerzahlern finanziert wird, für insgesamt 29 Lehrgänge 33.791 Euro in Rechnung. Eine indirekte Subvention für „Earth Watch“, die sich vielleicht damit erklären lässt, dass die Umweltagentur-Chefin zum Zeitpunkt der Reisen im „Earth Watch“-Beirat saß.

Zweifel an Auftragsvergabe

Die rumänische EU-Abgeordnete und frühere Justizministerin Monica Macovei hält in ihrem Bericht an das EU-Parlament auch fest, dass der Haushalt der Agentur von 2009 auf 2010 um 26 Prozent auf 50,6 Millionen Euro angestiegen sei. 12,8 Millionen Euro davon – rund ein Viertel – übertrug die Agentur auf das Jahr 2011. Das sei „ein Verstoß gegen den Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit“, kritisiert Macovei. Auch äußert der Bericht, der Dienstag im Haushaltskontrollausschuss angenommen wurde, Zweifel an der Rechtmäßigkeit bei der öffentlichen Auftragsvergabe der Agentur.

Bei der EU-Lebensmittelagentur Efsa in Parma liegt ebenfalls einiges im Argen. Allein für externe Aufträge im Bereich Kommunikation und Verwaltung gab die Efsa 2010 48,8 Millionen Euro aus.

Immerhin ist das eine genaue Zahl. Weniger genau können Macovei und ihre Parlamentskollegen feststellen, wie viel Zuschuss die Arzneimittelagentur EMA aus dem EU-Budget erhalten hat: 28,279 Millionen Euro, oder 26,335 Millionen Euro? Eine Verwirrung, die wohl damit begründet werden kann, dass die EMA eine wichtige Empfehlung ignoriert: genaue Angaben über Gebühren, die sie für ihre Gutachten von staatlichen Arzneimittelbehörden einhebt.

Es gebe „rund sieben von 24 Agenturen, die man sofort schließen könnte, ohne dass der öffentlichen Verwaltung daraus ein Mehrwert verloren gehen würde“, sagt der unabhängige österreichische Abgeordnete Martin Ehrenhauser, der sich mit „der zweiten heimlichen EU-Bürokratie“ beschäftigt, zur „Presse“. Doch die nationalen Regierungen tun das nicht. „Man kann da wunderbar Posten für politische Günstlinge schaffen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2012)

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