Der erste Gipfel des „Neuen Arabien“

(c) EPA (ALI HAIDER/POOL)
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Unter strengen Sicherheitsmaßnahmen beraten arabische Staatschefs über den Konflikt in Syrien. Der Gastgeber, Iraks schiitische Regierung, ist vielen sunnitischen Nachbarn suspekt.

Kairo/Bagdad. Geht es um das symbolische Neue und politische Premieren, ist das diesjährige arabische Gipfeltreffen in Bagdad wahrlich etwas Besonderes. Viele langjährige Gipfelteilnehmer sind nicht mehr da. Der Ägypter Hosni Mubarak sitzt in U-Haft, der Libyer Muammar al-Gaddafi ist tot, der Tunesier Ben Ali ist ins saudische Exil geflüchtet, und der Jemenite Ali Abdullah Saleh musste sein Amt an seinen Vize abtreten. All diese Länder werden beim Gipfel am Donnerstag mit neuen Führungen vertreten sein. Neu ist auch, dass die syrische Regierung erstmals nicht eingeladen ist.

Und erstmals seit zwei Jahrzehnten treffen einander die Präsidenten, Könige und Emire wieder in Bagdad. Der irakische Gastgeber hofft damit, drei Monate nach dem Abzug der US-Truppen, wieder in der Staatengemeinschaft der Arabischen Liga als Mitglied ernst genommen zu werden. Und die Iraker wollen beweisen, dass Bagdad als Austragungsort des wichtigsten und höchstrangigen politischen Treffens der Araber sicher ist. Dafür sind 100.000 Sicherheitskräfte zur Absicherung des Gipfels im Einsatz. 500 Millionen Dollar wurden ausgegeben, um Hotels, Versammlungsort und Infrastruktur auf den neuesten Stand zu bringen.

 

Unterstützung für Kofi Annan

Derartigen Ausgaben und politischen Premieren steht allerdings keine wirkliche inhaltliche Neuausrichtung der Arabischen Liga gegenüber. Denn die Arabische Welt ist de facto dreigeteilt, mit Ländern wie Tunesien, Ägypten und Libyen, die sich nach den Aufständen in gigantische politische Baustellen verwandelt haben, Ländern wie Syrien, Bahrain und Jemen, in denen der Sturz der Regime noch in Arbeit ist, und vor allem den ölreichen Golfstaaten, in denen wenig revolutionäres Potenzial schlummert.

Auch beim wichtigsten Punkt der Tagesordnung, dem Fall Syrien, wird wenig Spektakuläres erwartet. Die Liga wird, so heißt es in einem bereits vorliegenden Diskussionsentwurf zur Abschiedserklärung, Kofi Annan, den Syrien-Gesandten der Liga und der UNO, in seiner Initiative unterstützen, einen Dialog zwischen dem Regime in Damaskus und der Opposition herzustellen. Die syrische Opposition werde aufgerufen, sich zu vereinen und sich als ein ernsthafter Dialogpartner vorzubereiten, heißt es in dem Entwurf, der zuvor von den Außenministern diskutiert wird. Zudem wird Syriens Regime aufgerufen, sofort die Gewalt und das Töten einzustellen, Zivilisten zu schützen und friedliche Demonstrationen zuzulassen. Die Forderung an den syrischen Diktator Bashar al-Assad, zurückzutreten, wird auf dem Arabischen Gipfel voraussichtlich nicht erhoben werden, erklärte der irakische Außenminister Hoshyar Zebari.

Eigentlich hätte das Treffen bereits vergangenes Jahr in Bagdad stattfinden sollen, es wurde aber aufgrund der andauernden Tumulte in der arabischen Welt verschoben. Auch Bagdad wurde damals als zu unsicher eingestuft.

 

Drohungen von al-Qaida

In den Tagen vor dem Gipfel erinnerte ein Anschlag einer al-Qaida-nahen Gruppe, dass die Lage im Irak immer noch alles andere als normal ist. Bei der Explosion einer Autobombe vor dem Außenministerium kamen am 20.März 50 Menschen ums Leben. Die Gruppe kündigte weitere Angriffe während des Gipfels an.

Auch der Schatten der sunnitisch-schiitischen Widersprüche in der arabischen Welt hängt über dem Gipfel. Die von Schiiten dominierte irakische Regierung wird von sunnitischen arabischen Führungen als eine fünfte Kolonne des Iran in den eigenen Reihen betrachtet, mit all den praktischen Konsequenzen, die daraus entstehen. So unterstützen die Golfstaaten, allen voran Saudiarabien, die vorwiegend sunnitische syrische Opposition und wollen sie bewaffnen. Ein Schritt, den der schiitische irakische Premier Nouri al-Maliki mit Sorge sieht. Eine bewaffnete sunnitische Opposition in seinem Nachbarland könnte schnell zu seinem Gegner von morgen werden.

Iraks schiitische Führung verknüpft mit dem Gipfel in Bagdad die Hoffnung, ihr Land wieder in die arabische Welt zu integrieren. Ken Pollack vom US-Politikberatungs-Institut Brookings warnt: „Wenn sich die Iraker abgelehnt fühlen, werden sie in die Arme des Iran getrieben.“

Auf einen Blick

In Iraks Hauptstadt Bagdad findet derzeit das erste Gipfeltreffen der Arabischen Liga seit Beginn der Aufstände in der arabischen Welt statt. Wichtigstes Thema bei dem Meeting ist der blutige Konflikt in Syrien. Der syrische Machthaber Bashar al-Assad ist zu dem Treffen nicht eingeladen. Die Vertreter der arabischen Staaten wollen in Bagdad eine Unterstützungserklärung für die Friedensinitiative des Ex-UN-Generalsekretärs Kofi Annan abgeben. Assads Regime hat bereits klargemacht, keinerlei Beschlüsse des Araber-Gipfels zu Syrien anerkennen zu wollen.

Die Arabische Liga hat 22 Mitglieder: Ihr gehören 21 arabische Staaten von Marokko bis zum Oman an sowie die palästinensischen Autonomiegebiete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2012)


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