Rettungsschirm: Schlafender Riese, der hoffentlich nie geweckt wird

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Der Euro-Rettungsschirm festigt Deutschlands Vormacht in Europa. Doch ob er Krisen vorbeugen kann, ist ungewiss. Kann es überhaupt eine Summe geben, die groß genug ist, um künftige Schuldendramen abzuwenden?

Brüssel. Wie viel Geld braucht es, um der Eurozone künftig Schuldenkrisen vom Schlage der griechischen zu ersparen? 700 Milliarden Euro, 940 Milliarden Euro, oder gar mehr 1000 Milliarden Euro, wie es Frankreichs Finanzminister François Baroin am Donnerstag forderte. Oder doch 800 Milliarden, wie Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble Donnerstagabend sagte: Vor dem informellen Treffen der europäischen Finanzminister im dänischen Kopenhagen am Freitag und Samstag übt man sich allerorten in wilden Zahlenspekulationen.

Eines vorweg: Die Antwort wird eher bei 700 als bei 940 und keinesfalls bei 1000 Milliarden Euro liegen. Verhandlungspapiere, die mehreren Medien zugespielt wurden, schlagen vor, jene 240 unverbrauchten Milliarden Euro an Garantien der Eurostaaten aus dem befristeten Euro-Rettungsvehikel EFSF für Krisenzeiten einzufrieren. Die 200 Milliarden Euro an Garantieren, gegen die der EFSF Geld an den Märkten für die Programme Griechenlands, Irlands und Portugals aufnimmt, sollen dem neuen, dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) angegliedert werden.

Doch kann es überhaupt eine Summe geben, die groß genug ist, um künftige Schuldendramen abzuwenden? Und was ändert sich im Machtgefüge Europas mit der Schaffung dieses Währungsfonds?

Die zweite Frage ist leicht beantwortet, meint Thomas Klau vom European Council on Foreign Relations in Paris. „Es ist klar, dass durch die Verknüpfung mit dem Fiskalpakt Deutschland wieder einmal sein altes Ziel durchzusetzen versucht, Keynes für alle Zeiten aus der operativen Wirtschaftspolitik Europas zu verbannen. Dieser Versuch wurde mit dem Maastricht-Vertrag gestartet und mit dem Stabilitätspakt fortgesetzt.“

Historische Parallelen zum IWF

Die Ablehnung staatlicher Konjunkturpolitik schlage sich nun im ESM nieder, der zahlungsunfähigen Euroländern im Gegenzug für die Sanierung ihrer Budgets und Reform ihrer Märkte Kredite geben soll. „Deutschland versucht gleichsam, mit der einen Hand zurückzunehmen, was es mit der anderen gegeben hat“, lautet Klaus Interpretation dieses Abtausches von Geld für Reformen.

Geld gegen Reformen: Das ist auch das Geschäft des Internationalen Währungsfonds (IWF). Doch mit dieser Konditionalität transportiert der Fonds auch eine wirtschaftspolitische Ideologie. Der „Washington Consensus“, eine Mischung aus völliger Marktöffnung, Senkung der Staatsausgaben und Deregulierung der Finanzmärkte, machte den IWF zur Zielscheibe der Globalisierungskritiker. Droht dem ESM, der vordergründig ja als Akt der nordeuropäischen Solidarität mit südeuropäischen Finanzproblemen gezeichnet wird, ein ähnliches Schicksal? Klau bejaht dieses Risiko, gibt aber mit Hinweis auf den Kurswechsel unter dem vorletzten IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn zu bedenken, „dass die Geschichte des IWF zeigt, dass solch eine Fixierung auf eine bestimmte makroökonomische Ideologie keinesfalls unveränderbar ist“. Zudem sind die Parallelen zum IWF enden wollend. Die Europäer gründen ja den ESM nicht, weil sie davon ausgehen, dass sein Einsatz nach Überwindung der aktuellen Schuldenkrise zum Standardfall in der Eurozone wird. „Ein schlafender Riese, der nach Überwindung der jetzigen Krise nicht mehr geweckt werden muss: Das ist zumindest die Hoffnung der Optimisten“, sagt Klau.

Eine Banklizenz für den ESM?

Doch wenn er geweckt werden sollte, ist es fraglich, ob seine Ausrüstung wirksam ist. Daniel Gros (Centre for European Policy Studies, Brüssel) und Thomas Mayer (Chef-Volkswirt der Deutschen Bank) verneinen das. „Spanien und Italien würden jeweils mehr als 1000 Milliarden Euro erfordern.“ Stattdessen schlagen sie vor, dem ESM eine Bankenlizenz zu geben. So könnte er im Krisenfall unbegrenzt Mittel von der Europäischen Zentralbank (EZB) erhalten. Das aber lehnt die deutsche Regierung ab. Gros und Mayer meinen aber: Der ESM würde als Bank nur am Sekundärmarkt Anleihen kaufen, wie es die EZB ohnehin schon tut. Ist die Krise vorüber, würde die EZB dem ESM einfach den Geldhahn zudrehen.

Auf einen Blick

Der ESM soll künftig überschuldete Euro-Länder vor der Pleite retten. Er wird ähnlich wie der IWF günstige Kredite zur Verfügung stellen. Im Gegenzug müssen die betroffenen Länder einem Reformplan und der Überwachung ihrer Sanierungsmaßnahmen zustimmen. Dieser neue Rettungsschirm kann nur von Ländern genutzt werden, die sich an ihm beteiligt haben. Über einzelne Hilfsmaßnahmen werden die Teilnehmerländer im gemeinsamen Gouverneursrat entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2012)

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