Eine Bestimmung des Handelsvertrags sieht vor, dass Provider bei Urheberrechtsverletzungen Kundendaten hergeben müssen. Die bisherige Vorratsdatenregelung klammert derartige Verstöße aus.
Die Vorratsdatenspeicherung ab 1. April ist beschlossene Sache. Noch in der Schwebe hängt allerdings das Anti-Counterfeiting Trade Agreemenct (ACTA), gegen das es in Europa heftige Proteste gibt. Das EU-Parlament muss es erst genehmigen. Eine der Bestimmungen darin sorgt im Zusammenhang mit Vorratsdaten für besonderes Aufsehen. In Artikel 27, Absatz 4 des Vertragswerks (PDF-Download) wird die Möglichkeit eingeräumt, Rechteinhabern Zugriff auf "die nötigen Informationen zur Identifizierung" eines mutmaßlichen Urheberrechtsverletzers zu geben. Kurz: Behörden dürfen Provider dazu zwingen, Kundendaten an klagende Parteien herauszugeben, wenn diese ihre Rechte verletzt sehen.
Provider keine "Hilfssheriffs"
Der Verband der heimischen Internetprovider, die ISPA, wehrt sich vehement dagegen, als "Hilfssheriffs zur Vollstreckung staatlicher Aufgaben" in die Pflicht genommen zu werden. Kritisiert wird auch, dass der ACTA-Text zu großen Interpretationsspielraum freilässt. Die ISPA fordert schon seit längerem neue, an das Digitalzeitalter angepasste Urheberrechtsbestimmungen.
Eine Vertragspartei kann in Übereinstimmung mit ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihre zuständigen Behörden dazu ermächtigen, einem Online-Diensteanbieter gegenüber anzuordnen, einem Rechteinhaber unverzüglich die nötigen Informationen zur Identifizierung eines Abonnenten offenzulegen, dessen Konto zur mutmaßlichen Rechtsverletzung genutzt wurde, falls dieser Rechteinhaber die Verletzung eines Marken-, Urheber- oder verwandten Schutzrechts rechtsgenügend geltend gemacht hat und die Informationen zu dem Zweck eingeholt werden, diese Rechte zu schützen oder durchzusetzen.
In der aktuellen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung sind Urheberrechtsverletzungen bewusst ausgeklammert worden. Das liegt unter anderem auch daran, dass Verletzungen des UrhG kein Offizialdelikt sind, die Staatsanwaltschaft also nicht von sich aus tätig werden muss. ACTA sieht allerdings vor, dass Strafverfahren angestrengt werden sollen, wenn Urheberrechtsverletzungen vorsätzlich und in gewerblichem Ausmaß stattfinden. Auch die Beihilfe zu so einem Vergehen soll bestraft werden.
Angst vor strengeren Regeln
ACTA ist einer der Gründe, warum viele Datenschützer so vehement gegen die Vorratsdatenspeicherung argumentieren. Sie fürchten, dass damit erst weiteren Regelungen, die die Privatsphäre stärker einschränken könnten, Tür und Tor geöffnet wird. Und der Vertragstext von ACTA würde genau diese Möglichkeiten bieten. Zwar schreibt er nicht zwingend vor, dass Behörden Provider dazu zwingen, Daten an klagende Rechteinhaber zu geben. Die Erlaubnis dazu sieht der Vertrag, den Österreich bereits unterzeichnet hat, aber jedenfalls vor.
Acta steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Das Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produktfälschungen und Urheberrechtsverletzungen soll in der EU, den USA sowie neun weiteren Ländern gelten. Kritiker fürchten, dass durch die Hintertür Acta auch Zensur im Internet Einzug halten könnte.
Ab 1. April 2012 müssen Internet-, Telefon- und Mobilfunkbetreiber alle Verkehrsdaten ihrer Kunden anlasslos sechs Monate lang speichern. DiePresse.com informiert bis dahin mit einer Serie über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung und ihre Auswirkungen.
(db)