Wolf Martin hat zum letzten Mal "in den Wind gereimt"

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Letztes Gedicht KroneDichter Wolf(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit einem Gedicht in der Samstag-"Krone" verabschiedet sich der umstrittene Kolumnist Wolf Martin nach 23 Jahren von den Lesern.

"Ziemlich krank ist der Poet. Ob's mal wieder aufwärtsgeht?", fragt Wolfgang Martinek alias "Wolf Martin" zu Beginn seines letzten Gedichts für die "Kronen Zeitung". 23 Jahre lang hat er täglich für das Boulevardblatt "in den Wind gereimt", jetzt nimmt er Abschied – "konsequent, ohne Wehmut und ohne Wankelmut", wie die "Krone" in ihrer einseitigen Würdigung schreibt.

Martin hatte mit seinen als rassistisch und hetzerisch verschrienen Zeilen immer wieder für Kontroversen gesorgt, sie brachten ihm auch mehrfach Verurteilungen durch den Presserat ein.

"Ich feiere Adolfs Wiegenfest"

Im Jahr 1994 wählte er etwa den 20. April, also den Geburtstag Adolf Hitlers, um zu reimen: "Ich feiere, wenn man mich läßt, heut jenes Adolfs Wiegenfest, der einst in unserm schönen Land an allererster Stelle stand" - um schließlich in der letzten Zeile anzumerken, dass es ihm um den früheren Bundespräsidenten Adolf Schärf gehe. Ein anderes Mal fiel ihm zu diesem "großen Tag" ein: "Ihm seis zur Ehre, uns zum Heil: 'Taxi orange', der II. Teil!"

Martin hatte sich vor seiner "Krone"-Karriere als Sozialist, Kommunist und Homosexuellen-Aktivist versucht. In der Zeitschrift FORVM veröffentlichte er Dramolette, was "Kronen Zeitung"-Herausgeber Hans Dichand auf ihn aufmerksam machte. Sein erstes "Krone"-Gedicht erschien am 1. April 1989. "Seither gab es Leser-Lorbeer ohne Ende und Kritik genauso", so die "Krone".

"Böser Blick der Gutmenschen"

Im Jahr 2001 veröffentlichter er unter dem Titel "Diabolische Verse" seine gesammelten Werke. In einem Interview mit dem "Falter" verteidigte er damals Formulierungen wie jene vom Antifaschismus, den Kinder "ausschwitzen" sollen, und beklagte sich über den "bösen Blick, mit dem die Gutmenschen meine Gedichte lesen".

Für seinen Mentor hatte Martin nur lobende Worte übrig. "Hans Dichand hat, von meinen Eltern abgesehen, wohl am stärksten mein Schicksal bestimmt. Er ist für mich, was König Ludwig II. für Richard Wagner war."

Spürsinn für Ressentiments der Leser

Martinek zeigte in seinen Reimen nicht nur Spürsinn für Ressentiments der Leser, scheute auch vor Angriffen nicht zurück: gegen Linke und Künstler (Peter Turrini, Elfriede Jelinek und Claus Peymann warf er z. B. vor, sie würden das Burgtheater mit "penetrantem Dreck" besudeln), gegen Ausländer und Obdachlose. Nun verabschiedete sich der Umstrittene mit Selbstironie: "Mutig, wer zu schreiben trachtet, bis ihn die Demenz umnachtet und der Leser meint, er narrt ihn. Schluss beizeiten macht Wolf Martin."

(APA/Red.)

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