Margot Honecker: Flucht aus DDR war "Dummheit"

Honecker
Honecker(c) AP (Esteban Felix)
  • Drucken

Die Witwe des einstigen DDR-Staatschefs Erich Honecker gab in einer Dokumentation ihr erstes TV-Interview seit über 20 Jahren. Zweifel oder Reue haben in ihrer Lebensbilanz keinen Platz.

„Für mich war die DDR mein Leben. Es ist eine Tragik, dass es dieses Land nicht mehr gibt", sagt Margot Honecker zu Beginn des Films. Die Witwe des einstigen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker gab in dem NDR-Dokumentarfilm „Der Sturz", den die ARD am Montagabend ausstrahlte, das erste Fernsehinterview seit über 20 Jahren. Zweifel oder gar Reue haben in ihrer Lebensbilanz keinen Platz. Im Gegenteil: Für die Opfer der DDR bringt Honecker höchstens Zynismus und Hohn auf.

Die Dokumentation erzählt vom Aufstieg und Fall Erich Honeckers. Den Aussagen seiner Witwe stellt der Film Interviews mit Zeitzeugen wie Helmut Schmidt und Michail Gorbatschow sowie mit Opfern des Regimes gegenüber.

Margot Honecker lebt seit 1992 im Asyl in Chile. Am 17. April wird sie 85 Jahre alt. Zwei Jahre hat sich der Dokumentarfilmer Eric Friedler um ein Interview bemüht. Ob es etwas gäbe, wofür sie sich entschuldigen müsse, fragt er sie gegen Anfang der Dokumentation. Honecker sieht dazu keinen Grund: „Es wurden Fehler gemacht, die muss man bedauern. Aber die, die von uns verlangen, uns zu entschuldigen, sollen sich erstmal dafür entschuldigen, dass die Menschheit über Jahrtausende ausgebeutet wurde und immer noch wird. Die haben sich zu entschuldigen".

"Der brauchte ja nicht über die Mauer zu klettern"

Honecker war von 1963 bis 1989 Ministerin für Volksbildung. Unter ihrer Führung wurde militärischer Drill an Schulen eingeführt, rund 7000 Zwangsadoptionen durchgeführt und Jugendliche in „Umerziehungslagern" misshandelt. Unter der Führung ihres Mannes wurden Menschen beim Fluchtversuch erschossen, Kritiker verhaftet und Tausende bespitzelt.

Die noch rüstig wirkende 84-Jährige weist vehement jede Kritik von sich. Zwangsadoptionen? „Es gab keine". Die marode Wirtschaft des „Arbeiter- und Bauernstaates"? „Das Gerede ist einfach nicht wahr." Der Schießbefehl an der Mauer? „Es gab keinen Schießbefehl, sondern nur Waffengebrauchsbestimmungen. Die unterschieden sich nicht von denen anderer Länder."

Natürlich sei es bedauerlich gewesen, wenn ein junger Mensch an der Grenze starb. „Aber der brauchte ja nicht über die Mauer zu klettern". Diese „Dummheit" mit dem Leben zu bezahlen, sei bitter, besonders für die Mütter, erklärt Honecker in eiskaltem Ton.

„Das zieht einem ja die Schuhe aus", kommentiert der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble in der nächsten Szene. Auch andere Interviewpartner reagieren fassungslos auf Honeckers Aussagen. „Das kann doch nicht wahr sein", meint eine Mutter, deren Kind nach einem erfolglosen Fluchtversuch zur Adoption freigegeben wurde.

"Kriminelle geben sich als politische Opfer aus"

Auch andere Opfer des Regimes kommen zu Wort. Für Honecker freilich gibt es keine Opfer. Für sie waren und sind es „Feinde", die dem Sozialismus und der Volkswirtschaft geschadet hätten und die deshalb eingesperrt worden seien. „Das ist doch normal". Es habe nur "Kriminelle" gegeben, "die sich heute als politische Opfer ausgeben". An der DDR dagegen sei nichts verbrecherisch gewesen. Die Menschen hätten in Frieden gelebt, ihren Lebensunterhalt ehrlich verdient, eine gute Bildung und Mitspracherechte genossen.

Die Absetzung ihres Mannes durch seine Genossen und den bald darauf folgenden Mauerfall sieht Honecker immer noch mit Verbitterung. Keinen Volksaufstand habe es gegeben, sondern eine „Konterrevolution".

Die Honeckers waren in dieser Zeit „die berühmtesten Obdachlosen der DDR", wie es ein damaliger DDR-Polizist beschreibt. Der einzige, der bereit war, Erich Honecker und seiner Frau Unterschlupf zu gewähren, war der evangelische Pastor Uwe Holmer. Dabei war seine Familie einst selbst von der DDR-Führung schikaniert worden. „Ich wusste, er hat Schuld auf sich geladen, aber ich habe ihn trotzdem aufgenommen", erzählt Holmer. Zehn Wochen war Honecker „der Feind in meinem Haus". Dankbarkeit dafür zeigt Margot Honecker nicht. Für sie war es eine „Demütigung der Partei", dass ausgerechnet die Kirche einspringen musste.

Pension über 1500 Euro "unverschämt"

Sein Gesundheitszustand sollte Honecker schließlich vor Strafe schützen. Er folgte seiner Frau ins Exil nach Chile, wo er 1994 starb.

Honecker bezieht in Chile eine Pension aus Deutschland, deren Höhe von 1500 Euro sie „unverschämt" findet. Nur mit finanzieller Hilfe alter Genossen könne sie überleben.  Mit dem Kopf sei sie immer noch mehr in Deutschland als in Chile, sagt die 84-Jährige. Und sie hofft immer noch auf eine Zukunft für ihr Gedankengut: „Ich bin der Meinung, dass wir da ein Korn in die Erde gelegt haben, das aufgehen wird. Es war nicht umsonst, dass die DDR existiert hat. Man wird darauf zurückkommen."

Das letzte Wort hat der deutsche Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Im Jahr 2030 werden nicht einmal mehr die Kinder in der Schule lernen, wer Erich Honecker war."

(kron)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Zeitreise

Deutschland: Die wirre Welt der Margot Honecker

Nach 20 Jahren bricht Erich Honeckers mächtige Frau für das Westfernsehen ihr Schweigen. Und macht klar: Die Mauer in ihrem Kopf ist nicht gefallen. Die 84-Jährige ist erstaunlich rüstig, gut gebräunt und hellwach.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.