Die Regierungen haben sich auf eine Verschärfung des Abkommens geeinigt: Steuersünder müssen wahrscheinlich mehr an den Fiskus abliefern. Österreich verhandelt derzeit separat.
Wien/Ag./Weber. Deutschland und die Schweiz haben sich auf eine Verschärfung des Steuerabkommens geeinigt. Ein Sprecher des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble stellte am Mittwoch in Aussicht, dass das Abkommen noch am heutigen Donnerstag unterschrieben werden könne. „Der Dialog der vergangenen Tage war so intensiv, wie man sich es vorstellen kann“, sagte Sprecher Matthias Kotthaus in Berlin.
Nach einem Medienbericht sollen Deutsche bei der Nachbesteuerung ihres in der Schweiz liegenden Vermögens nicht mehr (wie ursprünglich geplant) 19 bis 34 Prozent an den Fiskus abliefern, sondern über 40 Prozent. Das Ministerium wollte dazu keine Details bekannt geben. Es sei aber bekannt, welche Themen den Ländern wichtig seien, hieß es seitens der Regierung. In dem Bereich habe Bewegung stattgefunden.
Ob diese Nachjustierung die Opposition besänftigt, ist aber noch offen. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte das Abkommen gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ zuletzt „eine Ohrfeige für jeden anständigen Steuerzahler und den Rechtsstaat“. „Das Signal ist: Der Staat lässt sich kaufen. Wer reich genug ist, kauft sich Steuerfreiheit“, so der Oppositionsführer.
Die Zustimmung von SPD und Grünen ist notwendig, weil der deutsche Bundesrat das Steuerabkommen absegnen muss. In der Länderkammer haben die beiden Oppositionsparteien derzeit die Mehrheit. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass das Steuerabkommen erst 2013 in Kraft tritt. Bis dahin hätten Steuersünder genügend Zeit, ihr Vermögen in ein anderes Steuerparadies zu verschieben.
Rückendeckung erhalten die Länder dabei von Oswald Grübel, dem ehemaligen Chef der Credit Suisse und der UBS. Schon jetzt zögen Steuersünder aus Deutschland und aus anderen europäischen Ländern ihr Geld aus der Schweiz ab, sagte er in der Fernsehsendung „10vor10“. Die deutsche Regierung könnte somit weniger Geld erhalten als erhofft.
Trotz alledem möchten sowohl die Schweiz als auch Deutschland auf Basis der jüngsten Verhandlungen in Gesetzgebungsverfahren gehen. Auch in Bern muss das Parlament noch über den Vertrag abstimmen. Aus Schweizer Sicht drängt die Zeit, wenn das Abkommen wie geplant 2013 in Kraft treten soll. Das Parlament tagt nur viermal im Jahr, zudem muss eine Referendumsfrist von hundert Tagen gewährt werden.
„Bild“ verklagt Justizministerin
Der Abschluss der Gespräche zwischen Deutschland und der Schweiz habe auf Österreich keinen unmittelbaren Einfluss, sagte ein Sprecher von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP). Österreich verhandle derzeit unabhängig mit den Eidgenossen. Freilich sei eine deutsch-schweizer Einigung ein positiver Impuls für das Abkommen zwischen der Schweiz und Österreich. Fekter hat die Einnahmen aus dem Steuerabkommen bereits im Sparpaket berücksichtigt.
Noch vor Kurzem sah es so aus, als würde die Situation eskalieren und die Steuerabkommen scheitern. Am Wochenende hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, dass gegen drei nordrhein-westfälische Steuerfahnder in der Schweiz Haftbefehle erlassen wurden. Die Beamten hatten 2010 eine CD mit Daten deutscher Steuersünder erworben. Wenige Tage später folgte die Retourkutsche der Boulevardzeitung: Nach eigenen Angaben hat das Blatt am Dienstag Anzeige gegen die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga wegen versuchter Freiheitsberaubung, Nötigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung erstattet. Eingereicht worden sei die Anzeige durch einen Reporter bei der Berliner Polizei. „Kindergarten“, urteilten Schweizer Politiker am Mittwoch.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2012)