"Populistisch": Kritik an Israel-Einreiseverbot für Grass

Populistisch Kritik Einreiseverbot fuer
Populistisch Kritik Einreiseverbot fuer(c) Reuters (Christian Charisius)
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Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland, spricht von einer übertriebenen Maßnahme. Für ihn sei Grass kein Antisemit.

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, hat das von der israelischen Regierung gegen Günter Grass verhängte Einreiseverbot kritisiert. Die von Innenminister Eli Yischai verhängte Maßnahme gegen den Literaturnobelpreisträger sei "übertrieben und populistisch", sagte er am Sonntagabend in den ARD-"Tagesthemen".

"Ich glaube, dass der Innenminister gar nichts von Deutschland versteht. Er betreibt Innenpolitik. Ich halte das für falsch", erklärte Primor. Für ihn sei Grass kein Antisemit. "Ich weiß, wovon ich spreche." Zugleich kritisierte der Diplomat aber auch Grass' israelkritisches Gedicht. Die darin geäußerte Behauptung, Israel wolle den Iran auslöschen, sei lächerlich.

Auch seien die Sorgen der israelischen Regierung berechtigt, dass der Iran Atomwaffen bauen könnte, meinte Primor. Schließlich habe nicht nur der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad sondern auch der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Khamenei, von der Auslöschung Israels gesprochen.

Die israelische Regierung hatte Grass wegen des Gedichts am Sonntag zur Persona non grata erklärt.

Karikaturist macht sich lustig

In Israel machte sich unterdessen ein Karikaturist über das Einreiseverbot lustig. Die Zeitung "Haaretz" veröffentlichte die Zeichnung von Amos Biderman in der Nacht zum Montag. Sie zeigt zwei Männer, die auf einem Hausdach in Tel Aviv einen Joint rauchen. Einer von ihnen sagt mit besorgtem Gesichtsausdruck: "Der Innenminister hat die Einreise (auch: Einfuhr) von Grass nach Israel verboten." Darauf gerät der andere Mann ins Schwitzen. Im Vordergrund sind mehrere Marihuana-Pflanzen in Blumentöpfen zu sehen. Im Hebräischen wird Cannabis wie im Deutschen umgangssprachlich als Gras bezeichnet.

Die Tageszeitung "Haaretz" (Tel Aviv) meinte in einem Kommentar, Israel reagiere "hysterisch". "Die Gefühle sind verständlich, aber es ist schwer, die Überreaktion zu akzeptieren. Wenn der Innenminister sagt, er schlage Günter Grass vor, seine falschen und verqueren Werke vom Iran aus zu verbreiten, weil er dort ein begeistertes Publikum habe, versteht er gar nicht die Ironie seiner Worte. Denn es ist gerade seine Entscheidung, Grass wegen eines Gedichts nicht nach Israel einreisen zu lassen, die eher für düstere Regimes wie den Iran und Nordkorea typisch ist.

"Ein alberner Schritt"

Der israelische Historiker Tom Segev sagte "Spiegel Online", das Einreiseverbot für Grass sei ein "zynischer und alberner Schritt". Es rücke Israel "in die Nähe fanatischer Regimes wie Iran".

(Ag.)

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