Hausbesetzer wandern ins Museum

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Im Wien Museum startet am Donnerstag die Ausstellung „Besetzt. Kampf um Freiräume seit den 70ern“. Auch wenn es (noch) nicht auffällt, ist die Szene derzeit so aktiv wie schon lange nicht mehr.

Wien. Häuserbesetzen ist kein Honiglecken. Daran werden ab Donnerstag Besucher des Wien Museums erinnert. Denn wer sich die Ausstellung „Besetzt. Kampf um Freiräume seit den 70ern“ genauer ansieht, kann schnell einmal einen stechenden Schmerz in den Augen spüren. Auf grellgelbem Untergrund sind dort Unmengen an Texten angebracht, aufgelockert mit ein paar Fotos und Plakaten. „Das ist eine extrem wichtige Ausstellung, genauso wichtig wie die Klimt-Ausstellung“, sagt Wien-Museum-Direktor Wolfgang Kos bei der Pressekonferenz am Mittwoch.

Er legt Wert darauf, als Stadtmuseum nicht nur „Herrschaftsgeschichten“ zu zeigen, sondern eben auch Gegenbewegungen. Immerhin gehörten Einrichtungen wie das Amerlinghaus, die Arena und das WUK, die aus Besetzungen entstanden sind, heute zur „Wiener Normalität“.



Aber genau diese Musealisierung der Hausbesetzungen ist es auch, die in der Hausbesetzerszene nicht nur positiv aufgenommen wird. Immerhin entsteht damit doch recht rasch der Eindruck, dass es sich um etwas Vergangenes, Abgeschlossenes handle. „Das war schon eine Grundbefürchtung der Szene, dass das Thema zu stark musealisiert wird. Wir haben versucht, das zu vermeiden“, sagt Werner Schwarz, der gemeinsam mit Martina Nußbaumer Kurator der Ausstellung ist.

Szene so aktiv wie noch nie

Denn dass die Zeit der Hausbesetzungen dem Ende zugeht, dürfte – trotz derzeitiger verlängerter Winterpause – nicht so schnell der Fall sein. Im Gegenteil: Nach einer Pause in den 90er-Jahren ist momentan besonders viel Aktivität zu bemerken. „Seit 2000 wächst in Wien die Szene so rapid wie noch nie. Berlin hatte Mitte der 70er-Jahre die Welle, in Wien gibt es jetzt eine Welle“, sagt Willi Hejda, Mitglied der IG Kultur Wien, der selbst auch schon öfter bei Hausbesetzungen teilgenommen hat, zur „Presse“. Dass Wien manchmal eben etwas länger braucht, macht auch das Zitat „Die Arena war unser 1968“ deutlich, das in der Ausstellung öfter auftaucht. Die Arena-Besetzung fand 1976 statt.

Hejda spricht von fünf bis zehn Besetzungen pro Jahr. Manche davon werden allerdings schon nach wenigen Tagen aufgelöst, weshalb nicht alle so viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten wie die sechswöchige Besetzung des Epizentrums in der Lindengasse vergangenen Herbst. Was die Forderungen der Hausbesetzer betrifft hat sich seit den 70er-Jahren nicht allzu viel geändert. Freiräume abseits der kommerziellen Spielwiese, die der Selbstverwirklichung dienen, wurden damals wie heute gefordert. Allerdings war in den 70ern das ideologische Konstrukt dahinter stärker, während man heute vor allem gegen zu hohe Mietpreise protestiert. „Heute ist nicht mehr die Stadt Hauptgegner, sondern internationale Investoren“, sagt Kuratorin Nußbaumer.

Die Stadt hat mittlerweile entdeckt, dass sich eine Gegend dank kreativer Zwischennutzung auch aufwerten lässt. Das war etwa beim Amerlinghaus am Spittelberg der Fall. „Die haben verhindert, dass der Spittelberg abgerissen wurde. Heute hat man das Gefühl, dass sie dort nicht mehr erwünscht sind“, sagt dazu Hejda. Tatsächlich kämpft das Amerlinghaus, das rund 60 verschiedenen Gruppen Platz bietet, derzeit mit einem Schuldenberg. Im vergangenen Jahr war vonseiten der Stadt noch die Rede davon, dass heuer rund 180.000 Euro für eine Entschuldung zugeschossen würden. „Derzeit lässt man uns aber ein bisschen zappeln. Die Verhandlungen stagnieren, ich vermute mal, damit wir im Endeffekt mit weniger zufrieden sind“, sagt dazu Claudia Totschnig vom Amerlinghaus. Sie beklagt, dass die MA13, mit der verhandelt wird, auch auf eine Erneuerung des Konzeptes inklusive Kommerzialisierung pocht. Darauf will man sich im Amerlinghaus aber nicht einlassen, da das den Grundprinzipien widerspreche.

Zwischennutzung statt Hausbesetzung

Auch das Fox House in der Westbahnstraße, das – gefördert von der Stadt – als temporäres Kreativ-Grätzel genutzt wird, ging auf eine Hausbesetzung zurück. „Ich glaube aber nicht, dass diejenigen, die bei der Besetzung dabei waren, heute im Fox House sind“, sagt Kurator Schwarz. Hejda bestätigt diesen Eindruck und bezweifelt, dass die Hausbesetzerszene mit dieser Form der Zwischennutzung zufrieden ist. Er kritisiert den Umgang der Stadt mit den Besetzern. Während es in den 70ern aufgrund des internationalen Drucks zumindest eine „Befriedungspolitik“ gab, werde die Szene derzeit von der Politik ignoriert.

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