Umstrittene Roma-Titelseite: Gehört die "Weltwoche" auf die Polizeistube?

(c) Teresa Zötl
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Die Schweizer „Weltwoche“ reagiert im aktuellen Heft auf die Kritik an der Titelgeschichte über Roma-Kriminalität. Es sorgte zwar für Empörung, wird allerdings kein juristisches Nachspiel haben.

Schon lange hat keine Titelgeschichte einer Zeitung für so viele Diskussionen gesorgt, wie jene der Schweizer „Weltwoche“ über kriminelle Roma-Banden. Auf der ersten Seite der Wochenzeitung war ein verwahrloster Bub zu sehen, der mit einer Pistole auf den Betrachter zielt. Die dazugehörige Schlagzeile lautete: „Die Roma kommen“. Im Blattinneren wurde mit der Überschrift „Sie kommen, klauen und gehen“ nachgelegt. In weitaus weniger reißerischem Ton wurde dann auf vier Seiten über die Kriminalität von Roma-Banden in der Schweiz berichtet und sogar zugegeben, dass es an „präzisen Zahlen zur Kriminalität dieser Volksgruppe“ fehlen würde.

Es sind vor allem das Bild des Roma-Buben, das, wie sich herausstellte, nicht in der Schweiz, sondern 2008 im Kosovo gemacht wurde, und die pauschalisierende Schlagzeile, die für Empörung gesorgt und dem Schweizer Wochenblatt nicht nur den Vorwurf eingebracht haben, durch gezielte Provokation Geschäft machen zu wollen, sondern auch mehrere Anzeigen. Die Erste kam am Karfreitag aus Wien von Journalist (u. a. „Profil“) Klaus Kamolz – Dutzende machten es ihm nach, darunter etwa auch der Deutsche Zentralrat der Sinti und Roma.

Roger Köppel, seit 2001 Chefredakteur der „Weltwoche“, wehrte sich am Donnerstag doppelt gegen die Kritik an seiner blattmacherischen Leistung. In der deutschen „Welt“ und in seinem Editorial der aktuellen Ausgabe, die heute, Freitag, in Österreich erscheint, weist er den Vorwurf des Rassismus „mit aller Entschiedenheit zurück“. Philipp Gut, der Autor des kritisierten Roma-Textes, wirft den empörten Kritikern und Medien vor, „die inkriminierte Berichterstattung“ gar nicht studiert zu haben – und kann dabei seine eigene Empörung nicht verbergen. Das kritisierte Foto habe „Die Weltwoche“ rechtmäßig über eine Agentur bezogen. Allerdings behauptet gerade diese Agentur, das Bild ihres Fotografen Livio Mancini sei sinnentstellend verwendet worden.

Den Kritikern habe er angeboten, ihre Argumente in der „Weltwoche“ darzulegen, schreibt Köppel. Der Journalist Klaus Kamolz bestätigt das, sagt aber, er habe dieses Angebot ausgeschlagen, weil er sich von dem Blatt „wie einige andere nicht vereinnahmen“ lassen wollte. Tatsächlich findet sich in der aktuellen Ausgabe kein einziger Gastkommentar zum Thema. Das große mediale Echo auf seine Aktion, das am Osterwochenende vor allem durch die sozialen Netzwerke transportiert wurde, hat Kamolz jedenfalls überrascht. „Ich bin wirklich kein Berufsaktivist, ich wollte einfach gegen diese Hetze etwas tun.“

Anzeige als „symbolischer Akt“

Kamolz' Anzeige wegen Verhetzung gemäß § 283 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) hat aber auch eine Debatte ausgelöst, ob es in diesem Fall angemessen ist, ein Medium wegen Verhetzung anzuzeigen. Die Meinungs- und Pressefreiheit schützt nämlich auch das pointierte oder zugespitzte Vorbringen von Kommentaren oder Werturteilen. Kamolz sieht die Pressefreiheit durch seine Anzeige nicht in Gefahr. Das ist sie in diesem Fall ohnehin nicht, wie der Wiener Medienanwalt Peter Zöchbauer sagt. Er glaubt, dass die Anzeige gegen die „Weltwoche“ kein juristisches Nachspiel haben wird. Der Jurist zweifelt, dass der Tatbestand der Verhetzung mangels qualifizierter „Hetze oder Verletzung der Menschenwürde“ überhaupt erfüllt wurde. Der § 283 StGB ist grundsätzlich umstritten, er gilt als sogenannter „Gummiparagraf“, weil er sehr schwammig formuliert ist und somit leicht zweckentfremdet werden kann.

Für Kamolz war die Anzeige dennoch „eine zulässige Option“ um Kritik zu üben. Er wisse aber, dass sie letztlich „ein symbolischer Akt bleiben wird“. Er habe „diese spezielle Ausgabe hingetragen, wo sie hingehört: auf die Polizeistube“.

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