Der Geist und die Scheibe

Zwei Teams kämpfen beim Ultimate um das Frisbee. Bei dem schnellen Wurfspektakel übernimmt statt eines Referees der „Spirit of the Game“ die Spielleitung. In Österreich erlebt Ultimate einen ersten Höhenflug – und in den USA startet eine revolutionäre Liga.

Wer kennt sie nicht, die 175 Gramm leichte Scheibe, die einem am Strand oder im Park um die Ohren schwirrt? Als lockerer Zeitvertreib zwischen dem Picknick oder Sonnenbad ist das Frisbee ja allgemein bekannt. Doch das Wurfgerät ist ebenso Objekt der Begierde in der rasanten Teamdisziplin Ultimate.

„Das schnelle Hin und Her, das Umschalten von Offense auf Defense innerhalb von wenigen Sekunden“ – so beschreibt Michael Zellinger die besondere Charakteristik des Ultimate Frisbee. Zellinger spielte zehn Jahre Handball bei Wels in der zweiten österreichischen Bundesliga, ehe er vom Ball zur Scheibe wechselte. „Ich hab aber nicht wegen der Hippie-Attitude mit dem Frisbee-Spielen begonnen. Es ging mir um die große sportliche Herausforderung.“ Denn im Gegensatz zum Hand- oder Fußball bleibe beim Ultimate viel weniger Zeit, einen Angriff zu lancieren. Ultimate sei auch taktischer, „es führen mehr Wege zum Ziel“. Der 33-Jährige vom Wiener Frisbee-Klub Upsadaisy ist angetan von der Vielfalt an Spielzügen: „Die physischen Anforderungen beim Ultimate sind größer als beim Handball.“

Beim Scheiben-Fight erzielt ein Team aber nicht durch Torschuss einen Punkt, sondern durch das Fangen des Frisbees in der markierten Endzone. Laufen mit dem Schwebedeckel in der Hand ist verboten. Das Spielfeld gleicht der Größe eines Fußballplatzes, auch die Matchzeit beträgt 90Minuten – oder länger, wenn ein Team ein Punktelimit von 15 Punkten erreichen muss. Sieben gegen sieben treten auf Rasen gegeneinander an, in der Halle und auf Sand kämpfen auf kleineren Courts fünf pro Team um die Plastikscheibe.

Auf Sand feierte Michael Zellinger seinen bisher schönsten Erfolg in seiner Ultimate-Karriere. Bei der Strandweltmeisterschaft in Lignano 2011 erreichte er mit dem rot-weiß-roten Team in der Masters-Klasse (ab 32 Jahren) das Endspiel. Gegen den hohen Favoriten USA, den man in der Gruppenphase noch überraschend besiegt hatte, gab es im Finale dann nichts mehr zu holen. Doch auch die Silbermedaille wurde kräftig gefeiert.

„Auf den Hausmeisterstränden“ fühlt sich Zellinger wohl. In Rimini stand der Wiener erst kürzlich mit einer Mannschaft mit US-Amerikanern auf dem Beach-Court. Beim traditionellen Paganello-Turnier, dem größten Ultimate-Klubturnier Europas, lief der Nationalspieler für das Team mit dem reißerischen Namen „Scandal“ auf. Auf skandalöses Matchverhalten deutet der Name aber nicht hin, sondern er „bezieht sich auf die Party danach“, lacht Zellinger.

Grund zum Feiern hatten die US-Boys und der Österreicher auch in Rimini: Dort schlug „Scandal“ in der Open-Klasse die internationale Auswahl namens „Sexxxpensive“ knapp mit 12:11. Beim zwar grotesk klingenden, aber zweifellos jugendfreien und flotten Endspiel feuerten auf zwei Tribünen rund 700 Fans die Mannschaften an.

Beim Ultimate bleibt das Auspfeifen des Schiedsrichters übrigens aus. Der Grund: Den Referee gibt es bei diesem Sport nicht, alle Entscheidungen treffen die Spieler auf dem Feld. Denn der „Spirit of the Game“ ist die zentrale Komponente im „ultimativen“ Regelbuch. Hier ist der Sportsgeist also mehr als nur eine hohle Floskel – der Fair-Play-Gedanke setzt ihn an die oberste Stelle.

In der Tat geht es bei diesem flotten Mannschaftssport fair zu, jeder Körperkontakt ist laut Reglement untersagt – zumindest theoretisch. In der Praxis kann es beim Decken und Blocken freilich zu Berührungen kommen – darum erlaubt eine Art Gentleman's Agreement leichte Abweichungen vom strikten Reglement.

In Österreich ist Ultimate laut Christian Leitner, dem Obmann des österreichischen Frisbee-Sportverbandes, im Aufwind. „Es tut sich wahnsinnig viel“, sagt der 44-Jährige. So zum Beispiel haben sich für die World Junior Ultimate Championships im August in Dublin mit den männlichen und weiblichen Youngsters der U17 sowie den U20-Herren gleich drei Teams qualifiziert. Für die österreichische A-Nationalmannschaft hat der Verband den mehrfachen deutschen Meister Robert Pesch als Coach gewinnen können.

Frisbee-Routinier Pesch soll das österreichische Herrennationalteam auf die Anfang Juli steigende Weltmeisterschaft in Japan vorbereiten. UFO nennt sich dort ein Ultimate-Verein aus Osaka, dessen Mitglieder dem Frisbee und keinen unidentifizierten Flugobjekten hinterherjagen. In Österreich gibt es weitaus kreativere Teamnamen: So matchen sich hier beispielsweise die Flugsaurier aus Wels und der Innsbrucker Flying Circus genauso wie die Mödlinger Winona Raiders und die Mosquitos aus Klosterneuburg.

Ultimate-Revolution in den USA

Seit 1984 schon werden bundesweite Meisterschaften im Ultimate ausgespielt. Die Spielstärke und die Anzahl an Teams haben in den letzten Jahren deutlich zugelegt. Den ersten – offiziellen – österreichischen Staatsmeistertitel unter dem Schirm der Bundessportorganisation im Vorjahr holte in der Herrenklasse „Open“ das Team ThebigEz aus Wien. Außerdem kämpfen Ultimate-Vereine im Women-, Mixed- und Junioren-Bewerb um den rot-weiß-roten Titel.

Während in Österreich die Plastikscheibe zum Höhenflug ansetzt, startet heute in den USA erstmals die aufpolierte American Ultimate Disc League (AUDL) – die regeltechnisch eine Revolution mit sich bringt: In der AUDL sollen nämlich erstmals Schiedsrichter die Matchleitung übernehmen und dem Frisbee-Sektor auf diese Weise einen professionelleren Rahmen verleihen. Den in diesem Spiel so ausgeprägten Spirit of the Game werden die Unparteiischen aber wohl nicht vertreiben.

Auch ein Österreicher wird in der AUDL seine Wurf- und Fangqualitäten unter Beweis stellen: Nationalspieler Marc Huber vom amtierenden Meister ThebigEz wird neben seinem Engagement in der Heimat in der neu gegründeten US-Liga für die Indianapolis AlleyCats ins Stadion einlaufen. Der 30-jährige Teilzeitpilot wird voraussichtlich der einzige Europäer in der AUDL sein, für Reisekostenersatz und Unterkunft sorgen die AlleyCats. Der Startschuss für die neue US-Nationalliga, die in eine Western und eine Eastern Division unterteilt ist, erfolgt am 14.April. In den USA jagen über fünf Millionen Spieler der Scheibe nach. Die AUDL wird dem Ultimate wohl noch einen stärkeren Spin geben. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2012)

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