Nur eigene Gespräche sollte man „abhören“

(c) FABRY Clemens
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Wer ungefragt die Unterhaltung anderer aufzeichnet, macht sich strafbar. Heimlich das eigene Gespräch mit anderen Leuten zu protokollieren ist aber zulässig – und kann einem vor Gericht sogar weiterhelfen.

Wien. In letzter Zeit häufen sich Berichte über veröffentlichte Tonbandaufnahmen von vertraulichen Gesprächen, bei denen zumindest ein Gesprächsteilnehmer vom Mitlaufen des Tonbandgeräts keine Kenntnis hatte. So soll eine nicht öffentliche Beratung von Mitgliedern einer Disziplinarbehörde ebenso heimlich aufgenommen worden sein wie ein inhaltlich brisantes Telefongespräch zwischen kirchlichen Würdenträgern. Auch die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt derzeit wegen des Verdachts des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten gegen mehrere Mitarbeiter eines Rundfunkveranstalters.

Dabei bleibt dem Rechtsuchenden in vielen Fällen zur Rechtsdurchsetzung tatsächlich kein anderer Weg, als im Vertrauen gemachte Aussagen späterer Prozessgegner oder potenzieller Zeugen auf Band mitzuschneiden und dann in einem Gerichtsverfahren zum Beweis der wahren Gegebenheiten zu verwenden. Aber ist eine derartige Aufnahme bzw. deren Verwertung in einem Gerichtsverfahren nun zulässig oder doch wirklich strafbar?

Umstände entscheidend

Die Beantwortung dieser Frage sorgt bis heute für heftige Diskussionen unter Juristen. Aus strafrechtlicher Sicht ist jedenfalls zu unterscheiden, ob das Tonaufnahmegerät von einem der Gesprächsteilnehmer eingesetzt wurde oder aber ob das aufgenommene Gespräch nicht (auch) für die eigenen Ohren bestimmt war. Im letzteren Fall ist bereits das heimliche Abhören mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für den Abhörenden verbunden, nämlich der Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

Nimmt man aber ein Gespräch auf, an dem man selbst beteiligt war, ist man erst strafbar, wenn man das Gespräch später einem Dritten, für den die darin gemachte Mitteilung nicht bestimmt war, zugänglich macht. Dasselbe gilt, wenn die Tonaufnahme sogar veröffentlicht wird. Geschützt ist lediglich die (stimmlich nicht gänzlich verfälschte) Tonaufnahme selbst. Nicht strafbar ist daher die Weitergabe oder Veröffentlichung einer wörtlichen Abschrift des Gesprächs, also eines Transkripts. Doch selbst die Verwendung des heimlichen Tonbandmitschnitts ist im Strafprozess unter dem Aspekt des rechtfertigenden Notstands zulässig, wenn sie „defensiv“ erfolgt, also zur Entlastung des Beschuldigten vom Vorwurf einer Straftat dient (15 Os 140/04). Vor diesem Hintergrund haben also auch die Strafgerichte rechtswidrige Tonbandaufnahmen zumindest dann ihrer Beweiswürdigung zugrunde zu legen, wenn die Aufnahme der Verteidigung dient.

Recht auf Löschung des Tonbands

Die zivilrechtliche Betrachtung muss kleinlicher ausfallen, was schon die unterschiedlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH) zeigen. Grundsätzlich allen Entscheidungen gemein ist, dass der in seinem Recht auf das eigene Wort Verletzte einen Anspruch auf Unterlassung und sogar Löschung der rechtswidrig erlangten Tonaufzeichnung hat. Wird die Aufnahme jedoch als Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren benötigt, ist nach Ansicht des sechsten Senats des OGH eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen: Man muss also die betroffenen Rechtsgüter – das „Recht am eigenen Wort“ und den vom Abhörenden verfolgten Anspruch, den er mithilfe der Aufnahmen durchsetzen will – sowie die subjektiven Interessen beider Seiten gegenüberstellen (6Ob 190/01m). An die Anforderungen eines Eingriffs in das Recht am eigenen Wort sind strenge Maßstäbe anzulegen. Denn es kann nicht schon das grundsätzlich vorliegende Interesse am Erhalt eines beweiskräftigen Beweismittels ausreichen, sondern es muss sogar ein Beweisnotstand vorliegen.

Die in dieser Entscheidung enthaltene Anmerkung, dass ein Transkript des aufgenommenen Gesprächs einen allenfalls rechtfertigenden Beweisnotstand ausschließt, griff der erste Senat des OGH (1 Ob 172/07m) auf. Er sprach aus, dass die Zulässigkeit der Verwertung von Transkripten rechtswidrig erlangter Tonaufnahmen nicht vom Ausgang einer Interessenabwägung abhängig, sondern grundsätzlich gegeben sei. Die nicht offengelegte Aufnahme von (Telefon-)Gesprächen sei auch nicht grundsätzlich rechtswidrig, sondern könne gerechtfertigt sein, wenn der Inhalt im Vordergrund steht und die Identität des Sprechenden nebensächlich ist.

Umso bemerkenswerter ist daher die letzte einschlägige Entscheidung des OGH vom Dezember 2011 (4 Ob 160/11z), in der bestätigt wurde, dass ein heimlich Abgehörter einen Anspruch darauf hat, dass die Veröffentlichung bzw. Weitergabe eines Transkripts über ein rechtswidrig aufgenommenes Privatgespräch unterlassen wird. Der vierte Senat berief sich dazu auf die Bestimmung des Briefschutzes nach dem Urheberrechtsgesetz. Ob diese Entscheidung eine Bestätigung erfährt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls aber kann ein aus dieser Entscheidung abgeleiteter Anspruch nur für heimlich abgehörte Gespräche Dritter gelten (also nur für Gespräche, an denen der Abhörer selbst nicht aktiv teilnahm). Denn der Gerichtshof begründet seine Entscheidung damit, dass die Veröffentlichung dazu führen würde, dass Dritte Kenntnis von nicht für sie bestimmte Gedanken und Äußerungen einer Person erlangen würden – und der Schutz des Urheberrechtsgesetzes die „Vertraulichkeit der Kommunikationssituation als Ganzer“ umfassen würde. Nachdem kein Zweifel daran besteht, dass auch in vertraulichem Rahmen gemachte Mitteilungen vom Mitteilungsempfänger an Dritte mündlich (oder auch schriftlich), selbst außerhalb eines Gerichtsverfahrens, weitergegeben werden können, kann der Schutz eines solchen Gesprächs auch nur für abgehörte Gespräche Dritter bestehen.

Das letzte Ass im Ärmel

Daher ist von einer heimlichen Aufnahme der Gespräche Dritter, so sie nicht zur Verteidigung in einem Strafverfahren benötigt wird, dringend abzuraten. Die dem Gesprächspartner nicht offengelegte Aufzeichnung eigener Gespräche ist hingegen, zumindest aus strafrechtlicher Sicht, unproblematisch. Ein Zugänglichmachen der Aufzeichnung oder gar deren Veröffentlichung hat jedoch zu unterbleiben. Vielmehr empfiehlt es sich, über das Gespräch ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen und das Tonband als „Ass im Ärmel“ vorerst bis zur Einvernahme des aufgenommenen Gesprächspartners in einem Gerichtsverfahren an sicherer Stelle zu verwahren.

Dr. Oliver Scherbaum ist
Rechtsanwalt in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2012)

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