Smolensk-Debatte in Polen: Warnung vor "Bürgerkrieg"

Roman Giertych
Roman Giertych(c) EPA (Tomasz Gzell)
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Der Ex-Vizepremier Polens warnt vor einer Lagerbildung im Land. Er hält Verbreitung der Anschlagsthese zu dem Flugzeugabsturz für gefährlich. Die Staatsanwaltschaft müsste eindeutig Stellung beziehen.

Der ehemalige polnische Vizepremier und Ex-Bildungsminister Roman Giertych hält die These, wonach es sich bei dem tödlichen Absturz einer polnischen Regierungsmaschine vor der russischen Stadt Smolensk im April 2010 um einen Anschlag gehandelt habe, für sehr gefährlich. Die Verbreitung dieser These und der Mangel an Widerspruch seitens der Staatsanwaltschaft könnte zum "Bürgerkrieg" führen, meinte Giertych, der als Mitglied der national-katholischen "Liga polnischer Familien" (LPR) der Koalitionsregierung mit der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) angehörte, die zwischen 2006 und 2007 im Amt war.

Was die PiS in den vergangenen Wochen in Sachen Smolensk-Katastrophe getan habe, könnte zur Bildung von zwei Lagern in Polen führen, die sich so sehr hassten, dass sie bereit wären, "ein Verbrechen zu begehen", meinte Giertych am Dienstagabend im Fernsehsender TVN24. Der Ex-Minister äußerte die Ansicht, dass die Staatsanwaltschaft zu der Darstellung von PiS-Politikern zu dem Unglück eindeutig Stellung beziehen und das gesammelte Beweismaterial vorlegen sollte. Inaktivität seitens der Staatsanwaltschaft und der Regierung könnten gefährlich sein, so Giertych.

Bei dem Flugzeugunglück von Smolensk waren am 10. April 2010 alle 96 Passagiere ums Leben gekommen. Neben Präsident Lech Kaczynski befanden sich unter anderen Abgeordnete, Geistliche und die gesamte polnische Armeeführung an Bord des Flugzeugs. Der politische Konflikt um den Absturz spitzte sich im Vorfeld des zweiten Jahrestages weiter zu, nachdem PiS-Chef und Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski dem Internetportal "onet.pl" gesagt hatte, "alles weist darauf hin", dass sein Zwillingsbruder, der damalige polnische Staatspräsident Lech Kaczynski, durch ein "Attentat" ums Leben gekommen sei. Die PiS hatte zu dem Unglück eine parlamentarische Untersuchungsgruppe berufen.

Explosionen vor der Landung?

Einer ihrer Experten, Grzegorz Szuladzinski, schrieb in den Schlussfolgerungen seines Berichts, der vor einer Woche den PiS-Abgeordneten übergeben wurde, dass die wahrscheinlichste Absturzursache zwei Explosionen kurz vor der Landung gewesen seien. Politiker der anderen Parteien, allen voran Vertreter der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform (PO)", werfen der PiS vor, die Anschlagsthese bewusst zu fördern, um die Atmosphäre aufzuheizen und politisches Kapital zu gewinnen.

Die PiS verwarf in ihrem Bericht die Ergebnisse der polnischen Regierungskommission, die das Unglück untersucht hatte, noch deutlicher als bisher. Die Kommission hatte die Hauptschuld bei den Piloten gesehen, die trotz dichten Nebels landen wollten, und dem Fluglotsen in Smolensk eine Mitverantwortung zugesprochen. Hinweise auf einen Anschlag hatten die polnischen Ermittler nicht gefunden.

(Ag.)

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