Die Bundeshauptstadt trägt die Hauptlast bei der Aufteilung, belegen neue Zahlen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will bis zum heurigen Sommer die Erfüllung der Quote mit den Bundesländern erreichen.
Wien. Bei der Unterbringung von Asylwerbern drückt sich der Großteil der neun Bundesländer um eine entsprechende Beteiligung. Das geht vor allem zulasten der Bundeshauptstadt Wien, die fast ein Drittel (30,4 Prozent) aller Personen in der Grundversorgung beherbergt, was Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung umfasst. Alle anderen acht Bundesländer sind bei der Einhaltung der immerhin schon seit 2004 geltenden Bund-Länder-Vereinbarung säumig, auch Niederösterreich, das mit 3384 beziehungsweise 18,5Prozent die zweitmeisten Betroffenen unterbringt, gemäß Quote aber 19,2 Prozent aufnehmen müsste. Die auf Bundesebene zuständige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat im „Presse“-Gespräch bereits angekündigt, dass sie nun bis zum heurigen Sommer die Erfüllung der Quoten mit den Bundesländern umsetzen möchte.
Der „Presse“ liegen die bisher gut gehüteten Zahlen von Anfang April vor: Damit wird jetzt offenkundig, wie weit die einzelnen Länder hinter der Vereinbarung nachhinken. Insgesamt waren 18.167 Personen in Österreich in der Grundversorgung der öffentlichen Hand. Wien hat davon 5570 untergebracht. Das sind statt der paktierten 20,3 Prozent immerhin 30,4 Prozent (Details siehe auch Grafik). Die Quote für Flüchtlingsunterbringung wurde aufgrund der Bevölkerungszahl in den einzelnen Bundesländern errechnet.
Oberösterreich liegt mit 2534 Personen in der Grundversorgung (13,9Prozent) ebenso unter der vorgeschriebenen Quote von 16,8 Prozent. Oberösterreich beherbergt allerdings mit Thalheim das zweite Erstaufnahmezentrum für Asylsuchende neben Traiskirchen in Niederösterreich.
Westen und Süden hinken nach
Die Steiermark rangiert auf dem vierten Platz mit 2440 Personen, die in der Grundversorgung sind (das sind 13,3 Prozent statt der paktierten 14,4 Prozent). Die fünf anderen Bundesländer im Süden und Westen des Bundesgebietes liegen mit Quoten zwischen 6,6 (Tirol) und 3,2Prozent (Burgenland) ebenfalls durchwegs auch unter den paktierten Quoten für die Grundversorgung.
Das Problem der Unterbringung ist zwar insgesamt weniger dramatisch als noch vor Jahren, weil die Zahl der Asylwerber im Vergleich zu damals längere Zeit rückläufig war. Zum Vergleich: Im November 2008 waren 23.444 in der Grundversorgung. Erst in der jüngeren Vergangenheit ist die Zahl der in Österreich Asylsuchenden wieder gestiegen.
Die Innenministerin, die aus Niederösterreich kommt, setzt vorerst auf Gespräche mit den Bundesländern und will diese nicht mit Drohungen verprellen. Sie hat wie ihre Vorgängerin im Ressort, Maria Fekter, bereits klargestellt, dass sie derzeit auch keine Notwendigkeit für ein drittes Erstaufnahmezentrum sieht. Ein solches war noch im Dezember 2008 im Koalitionspakt verankert worden.
Österreichs Innenministerin ist zugleich seit Längerem bemüht, auf EU-Ebene gemeinsam mit sechs anderen Ländern, u.a. dem Nachbarland Deutschland, eine bessere Aufteilung des Flüchtlingsstroms in der EU zu erreichen.

Sorge um Tschetschenien-Flüchtlinge
Für Diskussionen sorgt in der Flüchtlingspolitik auch, welche Länder nun so sicher sind, dass Asylwerber zurückreisen können. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO), darunter Amnesty International, zeigten sich bei einer Pressekonferenz in Wien besorgt über die Lage tschetschenischer Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückmüssen. Wer Menschen dorthin zurückschicke, bringe sie in Lebensgefahr, warnte Heinz Patzelt von Amnesty International. Darüber dürfe eine verbesserte Infrastruktur nicht hinwegtäuschen. „In Tschetschenien herrscht Friedhofsruhe“, sagte Patzelt. Es gebe Folter und ein „Klima der Rechtlosigkeit und Straflosigkeit“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2012)