Kampf der Giganten um die Vorherrschaft in Asien

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Atomraketen-Mächte. China und Indien liefern sich einen Rüstungswettlauf und beäugen einander dabei misstrauisch. Doch Peking bemühte sich jetzt angesichts des "AgniV"-Tests um demonstrative Gelassenheit.

Indien ist nun also Mitglied im „Elite-Club der Nationen“, wie der indische Verteidigungsminister A.K. Antony nach dem erfolgreichen Start der strategischen ballistischen Rakete „AgniV“ am Donnerstag sagte.

Für Indien ist dieser Modernisierungsschritt des nuklearen Trägerarsenals zunächst eine Frage des Prestiges: Der südasiatische Gigant ist dem Besitz einer ballistischen Interkontinentalrakete ein schönes Stück näher gekommen – derzeit verfügen nur die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (und eventuell Israel) über solche Waffen. Die „AgniV“ richtet sich aber vor allem gegen den übermächtigen Nachbar China, wie der Experte der Militär-„Denkfabrik“ „IHS Jane's“, Poornima Subramaniam, gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP erklärt: „Sie kann Ziele überall in China treffen. Damit können Kurz- und Mittelstreckenraketen, die bisher auf China zielten, auf Ziele in Pakistan umprogrammiert werden.“

Peking reagierte umgehend auf den Raketenstart: Liu Weimin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, meinte, man habe vom Test Notiz genommen, die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien aber gut. „Wir sind keine Rivalen, sondern Kooperationspartner“, beschwichtigte er.

Chinas „Perlenketten“

Tatsächlich umkreisen beide zukünftigen asiatischen Supermächte einander höchst misstrauisch: Indien macht vor allem das Marine-Engagement Chinas im Indischen Ozean nervös: China war mit großzügiger finanzieller Unterstützung beim Bau oder Ausbau der Häfen von Chittagong (Bangladesch), Gwadar (Pakistan), Hambantota (Sri Lanka), Sittwe und Kyaukpyu (Burma/Myanmar) zur Stelle, indische Experten sprechen vom „Strategischen Dreieck“ oder der Chinesischen „String of Pearls-Strategy“ („Perlenketten-Strategie“). Gleichzeitig kann China durchaus glaubwürdig argumentieren, dass es längerfristig die Sicherung der wichtigen Tankerrouten (China ist von Importen aus dem Persischen Golf abhängig) übernehmen können muss – und die führen eben um Indien herum.

„Chinas ,Perlen‘ scheinen genau das zu sein, was Peking behauptet: nämlich konventionelle Einrichtungen für die Hochseeschifffahrt“, wie Ashley S. Townshend, Experte am Lowy Institute for International Policy in Sydney, in einem „Yale Global“-Forschungspapier schreibt. Der einflussreiche US-Journalist Robert D. Kaplan schrieb in seinem Buch „Monsoon“, dass China sehr wohl eine „wichtigere Präsenz an den Schifffahrtsrouten des Indischen Ozeans anstrebt“.

China wieder muss mit ansehen, wie Indien sich immer stärker an die USA annähert und fürchtet Indien als zukünftigen vorgeschobenen Posten der Vereinigten Staaten. Doch auch diese Ängste sind wohl übertrieben: Indien wird in Zukunft viel zu einflussreich und selbstbewusst sein und die Wahrung seiner eigenen nationalen Interessen im Blick haben müssen, als dass es sich allzu sehr an die USA anlehnen könnte. Erst kürzlich hat Indiens Luftwaffe sich gegen den Kauf von US-Kampfflugzeugen entschieden und stattdessen um neun Milliarden Euro 126 französische „Rafales“ bestellt.

Überlappende Interessen

Doch auch wenn die Antagonismen zwischen beiden Mächten von manchen Experten hochgejazzt werden, die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern zu managen, wird wohl die schwierigste geopolitische Herausforderung in Asien werden. Die Interessen beider überlappen sich allzu sehr: Geografisch, wo beide Mächte um Macht und Einfluss in Burma (offiziell Myanmar), Sri Lanka oder Nepal ringen, im Kampf um die Sicherung von Rohstoffen und Wasser und im Wettbewerb um neue Märkte.

Die Erinnerung an den Krieg zwischen Indien und China im Herbst 1962 ist im kollektiven Gedächtnis der indischen Generalität noch nicht verblasst und nährt das Misstrauen der Militärs gegen ihre chinesischen Nachbarn. Dass China Indiens Erzrivalen Pakistan seit jeher unterstützt, schmerzt Delhi ebenfalls, Peking wiederum stößt sich an der Unterstützung des Dalai Lama und der exil-tibetischen Community in Dharamsala nahe der indisch-chinesischen Grenze.

Südkorea: Neue Marschflugkörper

Friedensforschern beim Stockholm International Peace Research Institute macht die Aufrüstung in Asien Sorgen: Südkorea hat erst gestern bekannt gegeben, Marschflugkörper in Stellung gebracht zu haben, die jeden Punkt in Nordkorea erreichen können. In den vergangenen fünf Jahren hat Indien (mit zehn Prozent aller weltweiten Importe) die Rüstungsimportstatistik angeführt, danach folgten Südkorea (sechs Prozent), Pakistan (fünf Prozent) und China (fünf Prozent).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2012)

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