Standort für Deserteursdenkmal: Heldenplatz als Favorit

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Wien führt Gespräche über ein Denkmal für NS-Deserteure auf dem Heldenplatz – es sind aber noch vier weitere Plätze im Rennen.

Wien. Es tut sich viel in den letzten Tagen, was die Aufarbeitung von dunklen Flecken der Geschichte im Wiener Stadtbild angeht. Kaum ist die Aufregung rund um die Umbenennung des Lueger-Rings in „Universitätsring“ ein wenig abgeklungen, fordert der grüne Kultursprecher Klaus Werner-Lobo nun auch eine Umgestaltung des Lueger-Denkmals am Ring. Und Schlag auf Schlag folgt die nächste Aktion – ein Denkmal für die Deserteure der NS-Wehrmacht soll auf dem Wiener Heldenplatz errichtet werden. Die Stadt Wien wird deswegen mit der Burghauptmannschaft, die das Areal verwaltet, Gespräche aufnehmen.

Allerdings betont man im Büro des zuständigen Stadtrats Andreas Mailath-Pokorny, dass der Heldenplatz nur einer von fünf möglichen Orten ist – dazu gehören der Ballhausplatz, der Julius-Raab-Platz bei der Urania, der Grete-Rehor-Park zwischen Parlament und Justizpalast und die Roßauer Lände.

Während die rot-grüne Rathauskoalition sich den Heldenplatz als Ort für ein Denkmal vorstellen kann, wettert FPÖ-Landtagspräsident Johann Herzog gegen den Plan – schließlich seien „Fahnenflüchtige teilweise auch Kameradenmörder“ gewesen. Ohnedies gebe es ja schon die Krypta im Äußeren Burgtor, die an Opfer des Krieges erinnert, da seien Deserteure miteingeschlossen.

Debatten wie die um Deserteursdenkmal und Lueger-Ring stehen symptomatisch für die Bemühungen der Stadt um einen neuen Umgang mit ihrem historischen Erbe. Ein Teil davon ist auch eine von der Kulturabteilung im Rathaus geförderte Historikerkommission, die derzeit nach den dunklen Seiten von historisch symbolträchtigen Straßennamen sucht. Dabei geht es jedoch nicht gleich um Umbenennungen.

„Nicht nur Antisemiten“

„Ziel unserer Arbeit ist es, ein geschichtliches Bewusstsein dafür zu schaffen, dass selbst manche Heroen aus dem 19.Jahrhundert nicht mehr in eine demokratische Gesellschaft passen“, sagt der Historiker und Kommissionsleiter Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien.

Das fünfköpfige Team untersucht 6500 Wiener Straßennamen, 4100 davon sind auf Personen bezogen, darunter nur 329 Frauen. Ebenfalls in die Bewertung einfließen werden die Namen von 282 Parks und Grünflächen. Der Abschlussbericht ist für das Frühjahr 2013 geplant.

„Darin werden wir jedoch nicht nur Nationalsozialisten und Antisemiten ansprechen“, so der Kommissionsleiter. Um möglichst viele unterschiedliche Zugänge zu problematischen Straßennamen zu bekommen, will die Kommission noch vor dem Sommer 2013 eine internationale Konferenz mit Gästen aus Europa, den USA und Südafrika veranstalten.

Die Diskussion innerhalb der Kommission über die untersuchten Namen und Personen bezeichnet Rathkolb als „Knochenarbeit“. Nicht nur wegen der schieren Menge, sondern auch wegen der genau aufzuarbeitenden Biografien, die dann aus der Sicht mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen bewertet werden.

Welche und wie viele „Problemnamen“ man bisher identifiziert hat, darüber will Rathkolb derzeit noch nichts sagen, aber: „Sowohl einige Namen als auch deren Anzahl werden für viele überraschend sein.“ Dabei solle man sich für den weiteren Umgang mit ihnen keine einfache Lösung vorstellen – zu unterschiedlich seien die untersuchten Biografien.

Absehbar ist aber, dass nicht jeder fragwürdige Name mit der Empfehlung Umbenennung versehen wird. „Bei Lueger zum Beispiel gibt es doch einiges, das man erklären kann.“ Andererseits hätte man auch Figuren identifiziert, die heutzutage „politisch nicht mehr vertretbar“ wären.

Auf einen Blick

Konzeption: Die Stadt Wien sucht mit dem Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ und mit externen Fachleuten nach einem Standort für ein Denkmal, das Deserteuren des NS-Regimes gewidmet sein soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2012)

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