Die guten Geister der Literatur

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guten Geister Literatur(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine wenig sichtbare, doch keineswegs seltene Kreativbeschäftigung ist das Ghostwriting. Nicht jeder, der eine Geschichte zu erzählen hat, führt schließlich eine flotte Feder.

Bernhard Salomon ist immer auf der Suche nach Menschen, die etwas zu erzählen haben und deren Lebensgeschichte sich für ein Buch eignet. Nicht immer sind interessante Persönlichkeiten aber auch gute Schriftsteller – für den Gründer des Verlags Edition A ist das nicht unbedingt ein Hindernis: Er engagiert Ghostwriter, also Autoren, die als Sprachrohr fungieren und selbst im Hintergrund bleiben. „Ghostwriting hat unterschiedliche Abstufungen. Das beginnt mit normalem Lektorat – der Lektor greift schließlich auch ins Textliche ein – und geht so weit, dass ein Buch auf Basis von Interviews geschrieben wird“, sagt Salomon, der selbst als Ghostwriter tätig war.

Der Neuautor Mathias Illigen, ein junger Mann, der seinen Vater tötete, aufgrund der Diagnose Paranoide Schizophrenie aber für nicht schuldfähig befunden wurde, kam beispielsweise mit einem fertigen Konzept auf den Verlag zu. Autor Fabian Burstein verfasste dann einen Tatsachenroman, der Illigens Erlebnisse in der Ichform schildert. „Illigen hatte das Bedürfnis, seine Geschichte zu erzählen. Dass er sich mit dramaturgischen Abläufen nicht so auskennen kann wie ein erfahrener Schriftsteller ist klar“, so Salomon. In enger Abstimmung mit dem Ghostwriter würden Autoren wie Illigen viel über das Bücherschreiben lernen und oft über sich selbst hinauswachsen, meint Salomon. Manchmal nimmt der Verlag auch direkt Kontakt mit Personen auf, deren Erlebnisse für ein Buch interessant scheinen, und bietet schon zu Beginn Ghostwriting an. Stets werde aber mit der Anmerkung „Aufgezeichnet von“ angeführt, wer das Buch tatsächlich geschrieben hat.

Vertrauliche Gespräche. Rund 40 bis 50 Ghostwriter gibt es laut Salomon in Wien, für die meisten ist das Schreiben als Phantom ein zweites Standbein: „Viele Ghostwriter sind Lektoren, die ihren Handlungsspielraum erweitert haben. Auch Journalisten und Schriftsteller übernehmen häufig die Autorenschaft für andere.“ Den passenden Ghostwriter für eine Geschichte zu finden sei aber nicht immer einfach. „Ein guter Ghostwriter muss in der Lage sein, die Geschichte des Klienten zu verinnerlichen“, sagt Salomon. Ausschlaggebend für die literarische Qualität eines Auftragswerkes ist die Beziehung zwischen Protagonist und Schreiber, meint auch Andrea Fehringer, die mit ihrem Kollegen Thomas Köpf vorwiegend Biografien schreibt, wie etwa von Karlheinz Hackl oder Wolfgang Ambros.

„Zu Beginn trifft man sich und lernt sich kennen. Nur wenn die Chemie stimmt und Vertrauen da ist, setzt man einen Vertrag auf und beginnt mit der Vorarbeit in Form von Interviews“, so Fehringer, die auch als Journalistin tätig ist. Wichtig sei, eine Struktur zu finden, da die Erzählungen nicht immer chronologisch sind oder einer Dramaturgie folgen. Fehringer: „Die Person muss immer mehr erzählen als dann im Buch steht, damit wir sie gut einschätzen können und Hintergründe kennen. Nichts, von dem der Autor es nicht möchte, dringt aber nach außen – Diskretion spielt eine entscheidende Rolle.“

Die sehr persönlichen Interviews können mitunter belastend sein – sowohl für den Ghostwriter als auch für die Hauptperson. „Die Gespräche mit Brigitta Sirny für ihr Buch über die Zeit ohne ihre Tochter Natascha Kampusch waren beispielsweise sehr emotional. Wenn man wochenlang in die tiefsten Winkel einer Person eindringt, kann das schon heftig werden und wie eine Therapie sein“, sagt Fehringer, die auch Schreibseminare abhält.

Auf Distanz zum Stoff. Auch wenn sie als Journalistin durch Porträts gewohnt sei, über andere Menschen zu schreiben, mache sie die Auseinandersetzung mit mancher Lebensgeschichte betroffen. Übertrieben werde aber nichts – die Inhalte stammen ausschließlich von der Hauptperson. „Wir sind für die Personen, die uns ihr Leben erzählen, die Hände an der Tastatur. Oft ist es schwer, Tonfall und Stil des Gesprochenen auf Papier zu bringen. Wenn jemand sagt, dass man etwa die Person richtiggehend reden hört, sind wir sehr stolz“, sagt Fehringer.

Dass Klienten ihre Biografie nicht selbst schreiben, kann Fehringer nachvollziehen. „Manche probieren es und stellen dann fest, dass Schreiben Arbeit ist. Bei Dingen, die einen selbst betreffen, ist es außerdem ganz gut, einen anderen Blickwinkel zu haben“, so die Autorin. Bis jetzt habe sie noch kein Buch geschrieben, bei dem sie nicht ausgewiesen war. „In Amerika ist Ghostwriting ein ganz anderer Berufsstand. Dort werden die meisten Autobiografien zwar nicht selbst geschrieben, aber es bleibt im Verborgenen. Bei uns ist das nicht ganz so – wir hatten noch nie die Anfrage, unsere Autorenschaft geheim zu halten.“

Nicht immer genannt. Anders Anni Bürkl: Die Profiautorin schreibt als Ghostwriter hauptsächlich Sach- und Fachbücher aus den Bereichen Psychologie, Wellness und Lebenshilfe, aber auch Biografien, die nicht unter ihrem Namen veröffentlicht werden. „Viele Fachleute, die viel wissen und ein spannendes Thema für ein Buch haben, kommen einfach nicht zum Schreiben“, so Bürkl, die über den Journalismus zu Ghostwriting kam. Ihren Namen muss die Autorin nicht immer auf dem Cover oder in der Danksagung des Vorworts lesen – dafür schreibt sie ihre eigenen Romane.

„Letztlich ist die Erwähnung des eigenen Namens eine Aushandlungssache beim Aufsetzen des Vertrages zwischen Autor, Verlag und Ghostwriter“, sagt Bürkl. Umgekehrt stehen Autoren nicht immer dazu, ein Buch „bloß“ in Auftrag gegeben zu haben – und es gebe auch viele Ghostwriter, die ein Geheimnis aus ihrer Arbeit machen. Bürkl: „Viele glauben, dass sie sich blamieren, wenn sich nicht selbst schreiben. Ist man Fachmann auf seinem Gebiet, kann aber nicht schreiben, hat das noch immer etwas Anrüchiges.“ Für die Texterin ist Schreiben aber ein Handwerk, für das ruhig ein Profi beauftragt werden könne. „Bei der Reparatur der Heizung überlegt man auch nicht, ob man den Techniker anrufen soll oder nicht. Würde sich das durchsetzen, wäre Ghostwriting nicht mehr so im Verborgenen“, schließt Bürkl mit einem eingängigen Bild.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2012)

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