Der Greißler, der den Bobo zum Kochen bringt

Wer gerne kocht, aber nie weiß, was, ist bei Feinkoch in der Wiener Theobaldgasse richtig.

Simon Jacko holt noch schnell die Salsiccia aus dem Kühlschrank, zupft einen Zweig Basilikum ab und legt zwei Schokotrüffel in das Einkaufssackerl aus Papier. „Feinkoch“ in der Theobaldgasse in Wien Mariahilf nimmt kochlustigen Bobos das Denken ab: eingekauft wird nur noch für den Spaß, die Liste ist vorgegeben. Der Einkäufer sucht sich ein Rezept aus – zum Beispiel Zitronen-Rucola-Linguini oder Topinambursuppe mit Chili und weißer Schokolade –, schnappt sich die Zutaten und vielleicht noch eine Flasche Wein, und fertig. Es gibt aber auch Milch und Brot zu kaufen.

„Im Supermarkt gibt es alles nur in großen Mengen. Das kommt am Ende teurer als essen gehen.“ Das habe ihn immer gestört, sagt der 27-Jährige. Bei Feinkoch gibt es auch Butter in Miniportionen. „Ich will, dass die Leute Kochen in den Alltag bringen.“ Also müssen die Rezepte gut, nicht zu teuer und vor allem schnell sein. Alles kostet „zwischen sechs und elf Euro für zwei Personen“, die Zubereitung dauert rund eine halbe Stunde.

Im Jänner hat Jacko eröffnet. Jetzt hat er schon drei Mitarbeiter, „sehr viele“ Stammkunden, und macht etwa 10.000 Euro Umsatz im Monat. Wobei davon im Moment noch nicht allzu viel übrig bleibt: was reinkommt, wird investiert. Die Marmeladen kommen aus der Wachau, das Gemüse von Adamah und Co., die Hirschpastete aus der Steiermark. Nur für Extras schmeißt man das Prinzip „regional“ über Bord: Den Maille-Senf hat Jacko palettenweise von Frankreich nach Wien geschleppt, die Salzflocken kauft er in England. „Das ist mein Lieblingssalz, besser als Fleur de Sel“, schwärmt der Jungunternehmer. Sein BWL-Studium hat er abgebrochen. „Ideen haben viele, aber machen muss man das gleich. Sonst ärgert man sich später.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2012)

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