Viele Greißler werden heute von Migranten geführt – und von Österreichern geschätzt: Für ihre kulanten Öffnungszeiten.
Es ist 20 Uhr 30 an einem Dienstag. Vor der Eingangstür des Geschäfts in der Gablenzgasse im 15.Bezirk steht ein junges Paar und will hinein. Ein Mitarbeiter sperrt die Tür auf. „Aber schnell“, sagt er. Die beiden dürfen eine Runde drehen und Kekse kaufen. Eigentlich darf das Geschäft in der Nähe der Lugner City nämlich nicht mehr geöffnet sein. Die Gewerbeordnung verbietet es.
Aber es läuft trotzdem ganz gut, sagt ein Mitarbeiter. Es gibt alles, nur eben vieles auf Türkisch: Milch, Kekse, Hühner- und Rindfleisch, Süßigkeiten und Getränke. Nur keinen Alkohol, denn das wollen die Türken nicht, sagt der 22-Jährige und hievt einen Packen Faschiertes in eine Kiste. „Aber wir würden gern Alkohol verkaufen, das wäre gut fürs Geschäft.“ Schließlich koste eine Dose Gösser knapp 60 Cent im Supermarkt. Ein Bekannter, der eine Bäckerei in der Nähe hat, verkaufe das Bier um 2,50 Euro weiter. „Da reicht es, wenn er zehn Tragerl am Tag verkauft.“
Er hat selbst türkische Wurzeln, so wie ein Drittel seiner Kunden Türken sind. „Wir sind ein Ethno-Supermarkt. In Wien gibt es 50 bis hundert solcher Märkte“, sagt er. Die Betreiber mögen Migranten sein, die Kunden nicht. Viele Österreicher schätzen den Ethno-Greißler. Der würde das Geschäft gerne länger offen lassen und auch am Sonntag aufsperren. Aber das ist verboten. Ein paarmal habe er das sogar gemacht, aber die schikanösen Kontrollen und hohen Strafen wollte er sich dann einfach nicht mehr antun. Deshalb bleibt das Geschäft jetzt abends und am Sonntag zu. Laut Schätzungen der Wirtschaftskammer gibt es in Wien allerdings auch rund 100 kleine Greißler, die nach dem gesetzlichen Ladenschluss – illegal – offen bleiben. Ihr Anteil am Umsatz des Handels dürfte aber ziemlich gering sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2012)