»Es gibt nicht mehr diese ganz Gscheiten«

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Karl Duffek, Leiter der SPÖ-Parteiakademie und mitverantwortlich für »Österreich 2020«, über Karl-Marx-Lesezirkel, Integration durch Leistung und den Wandel in der Ansicht, Schulden seien nicht so schlimm.

Welche Rolle spielt Ideologie heute noch in der SPÖ?

Karl Duffek: Im Sinne eines inhaltlichen Selbstverständnisses spielt Ideologie in der SPÖ immer eine ganz große Rolle. Das ist jetzt aber nicht in einem altvatrischen Sinn zu verstehen, einer Rückkehr zu alten Positionen, sondern in dem Sinn, dass wir uns als Programmpartei verstehen und nicht als beliebige Allerweltspartei.

Das heißt, die Karl-Marx-Lesezirkel gibt es in der SPÖ so nicht mehr.

(Lacht) Es ist aber auch kein Fehler, solche Lesezirkel zu machen. Und es ist auch gut, wenn man einen politisch-theoretischen Hintergrund hat – vielleicht nicht eingeschränkt auf Karl Marx, sondern ein wenig breiter.

Unter Ihrer Ägide – und der von Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas – findet gerade der SPÖ-Nachdenkprozess „Österreich 2020“ statt. Das klingt ein wenig nach Gerhard Schröders „Agenda 2010“, dürfte aber eher in die andere Richtung gehen, wenn man etwa die angedachte Verkürzung der Arbeitszeit hernimmt.

Zunächst muss man einmal sagen, das Projekt „Österreich 2020“ heißt deswegen so, weil wir uns eine Art mittelfristige Perspektive vorgenommen haben: Man geht über die Tagespolitik hinaus, hat aber nicht die Perspektive, was in 500 Jahren ist. Sondern: Wohin gehen wir in den nächsten zehn Jahren? Ich würde nicht sagen, dass das ein rückwärtsgewandtes Projekt ist. Gerade in der Frage des Arbeitsmarkts haben wir in Österreich eine viel liberalere Ausgangssituation, als das in Deutschland der Fall war – aufgrund einer sehr vernünftigen Politik im Rahmen der Sozialpartnerschaft.

Aber die Arbeitszeitverkürzung wird sich in der endredigierten Version von „Österreich 2020“ wiederfinden?

Ja. Das wird sich in irgendeiner Form wiederfinden. Ob sich das nun mehr bezieht auf die Lebensarbeitszeit und Auszeiten, die man etwa für Bildung oder die Familie nimmt, wird man sehen – uns geht es in erster Linie um ältere Arbeitnehmer und Arbeiter. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Was aber nicht stimmt, ist, dass wir uns bei „Österreich 2020“ nicht mit dem Thema Integration beschäftigen würden. Wir befassen uns sehr stark damit. Wir verknüpfen hier auch immer Rechte mit Pflichten. Mit Integration ist immer auch ein Anspruch an eine gewisse Leistung verbunden. Von beiden Seiten. Einerseits: Rechte einräumen. Andererseits: Leistung erbringen.

Das sagt Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz auch.

Das ist auch nichts Falsches.

Wird „Österreich 2020“ nun in das nächste Parteiprogramm oder nur in das Wahlprogramm für 2013 einfließen?

In beides.

Solche Vorzeige-Ideologen wie seinerzeit Caspar Einem oder Alfred Gusenbauer, als er noch nicht Parteichef war, gibt es in der SPÖ heute aber nicht mehr.

Es ist es nicht mehr so, dass es zwei, drei, vier Personen gibt, die für das Ideologische zuständig sind. Heute sind Parteien anders, offener. Und es gibt auch jede Menge Bewegungen außerhalb der Parteien, mit denen man heute in Diskurs treten muss. Es gibt nicht mehr diese drei, vier ganz Gscheiten.

Eines der großen ideologischen Themen der SPÖ seit jeher, die Gesamtschule, ist heute ihrer Verwirklichung so nahe wie noch nie.

Ja. Ich halte das Bildungsthema nach wie vor für ganz zentral für die Sozialdemokratie. Weil es die Grundvoraussetzung ist für Chancengleichheit. Da gab es mit den fortschrittlichen Kräften bei den Konservativen übrigens immer eine sehr gute Gesprächsbasis.

Anderseits musste die SPÖ auch Abstriche machen: Die Ansicht, dass Schulden nicht so schlimm seien, wurde soeben mit der Schuldenbremse über Bord geworfen.

Na ja. In der gegenwärtigen Situation der Finanz- und Wirtschaftskrise muss man höllisch aufpassen, dass das Budget im Griff bleibt. Da können noch Herausforderungen auf uns zukommen, die beachtlich sein könnten. Da gibt es aus meiner Sicht keine Spompanadeln. Anderseits war die Zuschreibung, wir wären die Schuldenmacherpartei, immer ein Blödsinn. Vor allem, wenn man sich das im historischen Verlauf ansieht. Aber eines ist wichtig: Die Budgetdisziplin darf nicht dazu missbraucht werden, dass Sozialleistungen gekürzt werden.

Stimmt es eigentlich, dass viele Reden der SPÖ-Parteivorsitzenden in den vergangenen Jahren von Ihnen geschrieben wurden?

Dazu gebe ich keinen Kommentar ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2012)

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