Regierungskrise in Den Haag: Wilders stürzt Kabinett

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Das Kabinett von Premier Rutte stürzt. Gescheitert ist die Regierung an der Einigung über ein Sparpaket – vor allem die Erhöhung des Pensionsalters und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wollte Wilders nicht mittragen.

Den haag. Palastrevolte in Den Haag: Der Rechtspopulist Geert Wilders hat dem von Premier Mark Rutte geführten Minderheitskabinett aus Liberalen (VVD) und Christdemokraten (CDA) das Vertrauen entzogen. Die Verhandlungen über das Schnüren eines neuen Sparpakets mit einem Volumen von 14 Mrd. Euro sind endgültig gescheitert. „Der Bruch mit der Regierungskoalition ist definitiv“, verkündete Wilders am Samstag.

Damit ist die Krise da. Ministerpräsident Rutte kann ohne parlamentarische Mehrheit nun nicht mehr weiterregieren. In den Niederlanden wird es voraussichtlich im September oder Oktober Neuwahlen geben. Das Land ist politisch instabil und sitzt gefangen in der Schuldenfalle. Der Grund: Die jetzige Haager Regierung ist unfähig, die zerrütteten Staatsfinanzen zu sanieren. Außerdem: Das Triple-A-Rating der Niederlande ist nun in Gefahr. Denn aller Voraussicht nach wird es dem Oranjestaat nicht gelingen, das staatliche Finanzierungsdefizit im nächsten Jahr von derzeit 4,6 Prozent des BIPs auf die in der Eurozone vorgeschriebenen 3,0 Prozent zu reduzieren.

Der Sturz des Haager Kabinetts zum jetzigen Zeitpunkt dürfte den Niederländern teuer zu stehen kommen. Denn zum einen verliert das Land wertvolle Zeit, um die aus dem Ruder gelaufenen Staatsfinanzen wieder zu ordnen. Zum anderen werden die Niederlande im Falle einer Rückstufung ihrer Triple-A-Bonität an den internationalen Finanzmärkten für ihre Staatsanleihen dann höhere Zinsen zahlen müssen. Finanzexperten schätzen, dass sich die jährliche Zinslast der Niederlande bei einer Rückstufung der Bonität von AAA auf AA+ um 6,0 Mrd. bis 8,0 Mrd. Euro erhöhen dürfte. Die Ratingagentur Fitch warnte bereits: „Die Niederlande stehen am Rande einer Rating-Reduzierung.“ Sollte sie kommen, dann hätten in der Eurozone nur noch drei Länder die höchste Bonität des dreifachen A-Ratings, nämlich Deutschland, Finnland und Luxemburg.

Außerdem: Die Eurozone und die EU haben nun mit den politisch instabilen Niederlanden ein neues Sorgenkind hinzubekommen. Zu fürchten ist nämlich, dass die Neuverschuldung in den Niederlanden in diesem und im nächsten Jahr nicht sinken, sondern weiter steigen wird, möglicherweise bis auf 5,0 Prozent des BIPs.

Scheitern am Sparpaket

Gescheitert ist die Regierung an der Einigung über ein Sparpaket – vor allem die schnellere Erhöhung des Pensionsalters auf 67 Jahre, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und andere Maßnahmen wollte Wilders nicht mittragen. Bei den Neuwahlen will er sich als Retter der Senioren präsentieren, weil er geplante Kürzungen und die Anhebung des Antrittsalters verhindert hat.

Harte Kritik an Wilders kam vom christdemokratischen Wirtschaftsminister Maxime Verhagen. ,,Wilders lässt 16 Millionen Niederländer im Stich. Er drückt sich vor seiner Verantwortung‘‘, warf Verhagen Wilders vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2012)

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