Geiz ist nicht geil, zumindest nicht im „Deewan“

(c) Andreas Zeitler/deewan.at
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Ein Sozialexperiment in einem Wirtshaus in Wien zeigt, dass die Gäste auch dann angemessen bezahlen, wenn sie den Preis selbst bestimmen. Und: Wenn sie ohne sozialen Druck zahlen, zahlen sie mehr.

Die soziale Verantwortung eines Unternehmens besteht darin, seine Profite zu steigern.“ Das formulierte Milton Friedman 1970, einen fernen Nachhall fand es in der „Geiz ist geil“-Kampagne, in der es um die Maximierung des Wohlgefühls ging, das Kunden mit ihren Schnäppchen erwarben. Aber gegen Friedman regte sich Widerspruch, viele Ökonomen setzten auf das Gegenmodell der „corporate social responsibility“: Es dürfe Unternehmen nicht nur um das eigene Wohl gehen, sie müssten auch auf das allgemeine achten. Das diene der Moral, und höhere Ernten fahre es zudem ein: Wenn eine Firma nicht nur mit guten Produkten/Dienstleistungen wirbt, sondern auch mit guten Taten – Spenden für Charity etc. –, identifizieren sich Kunden eher. Auch „Geiz ist geil“ fand Gegenbewegungen, hier ging es um Konsumenten-Verantwortung – keine Kinderarbeit etc. – und um gute alte Dinge, die länger leben als man selbst und entsprechend zu Buche schlagen.

Warum bezahlen, was es gratis gibt?

Aber man kann ja beides kombinieren, einen lockenden Preis und ein gutes Konsumentengewissen, die Rockband Radiohead machte es vor und bot 2007 ihr Album „In Rainbows“ im Internet zum Download an, bezahlt wurde nach Belieben, die Rechnung ging auf (in welchem Umfang, ist umstritten).

Warum? Warum zahlen Menschen für etwas, das sie gratis bekommen können? Das erkundet seit einiger Zeit Ayelet Gneezy, Marketingexpertin der UC San Diego, zunächst tat sie es in einem Freizeitpark in den USA: Dort platzierte sie einen Fotografen, der Bilder von Besuchern machte und sie anbot, entweder zu einem regulären Preis von 15 Dollar oder einem Sonderpreis von fünf Dollar oder einem Preis nach Wahl der Kunden („pay what you want“, PWYW). Letzteres kam in zwei Varianten, bei der einen ging die Hälfte an eine Charity.

Natürlich stiegen die Verkäufe, wenn das Sonderangebot ausgerufen wurde; und erwartet hatte man auch, dass PWYW-Käufer mehr investieren, wenn sie einen guten Zweck miterwerben. Aber dann kam die Überraschung: Wenn Käufer den regulären Preis und das Sonderangebot kannten und dann zum PWYW eingeladen wurden, griffen sie seltener zu, selbst die mit dem Sonderangebot identischen fünf Dollar erschienen ihnen dann als zu wenig (Science, 329, S. 325). Gneezy interpretierte das als Stabilisierung des Selbstbildes – allzu gierig und unfair will man nun auch nicht sein – und machte sich, gemeinsam mit Gerhard Riener, an die Erkundung der Details. Riener ist geborener Linzer und Ökonom an der Uni Düsseldorf, er studierte u. a. in Wien, und so kam es, dass dieses Experiment im „Der Wiener Deewan“ stattfand. Das ist ein pakistanisches Restaurant im 9. Bezirk, das 2005 einen Versuch startete: Man isst, soviel man will, und man bezahlt, soviel man will, „von null aufwärts“.

Überhaupt nichts bezahlten von den 140 bis 160 Gästen am Tag – über einen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren – drei bis vier; ein Ausreißer in die Gegenrichtung hinterließ 50 Euro und den Vermerk, wenn er sich „nicht irre“, tue „man das so“.

Im Durchschnitt entrichteten die Gäste zwischen 5,50 und 7,00 Euro, vergleichbar mit den Preisen in umliegenden Gaststätten. Nachdem dies beobachtet worden war, unternahmen die Forscher ihr Experiment, in dem es um die Weise des Bezahlens ging.

In einem Fall kam der Kellner mit seiner Börse, im anderen mit einem Briefumschlag, den füllten die Gäste nach Wahl. Was bringt mehr, das Auge des Kellners oder die Anonymität? Und zwar dann, wenn die Gäste auch noch wissen, wie viel die anderen Gäste bezahlt haben, oder wenn sie es nicht wissen? Wenn sie es wussten, gaben sie offen und verdeckt gleich viel, sie orientierten sich an den anderen. Insofern wirkt der soziale Druck, man kennt Ähnliches vom Trinkgeld: In manchen Ländern wird keines gegeben, in den USA klettert es auf 15 bis 20 Prozent, dort staffelt es sich noch nach Lokal: Bei McDonald's gibt man nichts, bei Starbucks bisweilen, im gehoben Restaurant immer. Dort differenziert man dann noch nach Geschlecht, Frauenrunden sind nicht so spendabel wie Männer, am meisten kommt in gemischten Runden zusammen.

Bei all dem funktioniert also der soziale Druck bzw. er wird als wohltuende Orientierung empfunden. Aber wenn der Gast den von den anderen bezahlten Preis nicht kennt, verhält er sich völlig anders: Dann entrichtet er unter den fordernden Augen des Kellners weniger, als er verdeckt im Umschlag hinterlässt (Pnas, 23. 4.).

Weil man sich selbst etwas wert ist

Denn dann überwiegt ein anderer Druck, der von Innen: „Die Menschen wollen das Eigenbild stabilisieren, sich selbst zeigen, dass sie moralische Personen sind“, erklärt Riener der „Presse“. Das weiß man bisher von anderen guten Taten – etwa Spenden –, aber dass es auch auf einem Markt so funktioniert, und dass dieser Markt überhaupt funktioniert, hat erstmals dieses Experiment gezeigt. Allerdings spielen auch noch ganz andere Variablen hinein: „Wenn das Wetter schlecht ist, zahlen PWYW-Gäste etwas weniger.“


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