Volksanwaltschaft rügt Asylgericht

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Verfahrensdauer. Asylwerber müssten viel zu lange warten, sagt Volksanwältin Terezija Stoisits. Sie spricht von einer einer „besorgniserregenden Situation“. Das Gericht weist die Kritik als falsch zurück.

Wien/Aich. Im November 1991 stellte ein Bosnier in Österreich einen Asylantrag. Heute, mehr als 20 Jahre später, ist die Causa noch immer nicht entschieden. Mehrfach kippten Gerichte die Entscheidungen der unteren Instanzen, dazu kam es in der Zwischenzeit auch zu Gesetzesänderungen, die wiederum neue Fragen aufwarfen. Hier handelt es sich zwar um einen außergewöhnlichen Fall, wie auch die Volksanwaltschaft in ihrem am Montag präsentierten Jahresbericht 2011 hervorhob. Doch auch in vielen anderen Fällen würden Asylverfahren zu lange dauern, meint Volksanwältin Terezija Stoisits.

Dabei hatte die Politik versprochen, dass mit der 2008 erfolgten Schaffung des Asylgerichtshofs – er entscheidet, wann man gegen negative Bescheide der Behörden beruft – alles besser wird. „Doch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt“, erklärte Stoisits am Montag. Der Rucksack an (vor der Schaffung des Gerichts entstandenen) Altfällen sei noch nicht ganz abgebaut. Dazu komme ein „neuer Rucksack“, den der Aslygerichtshof selbst angehäuft habe, kritisierte Stoisits. Wenn man sich als Betroffener an das Asylgericht wende, erhalte man „bis zu drei Jahre“ keine Antwort, rügte die Volksanwältin, die von einer „besorgniserregenden Situation“ sprach: Die Zahl der Beschwerden über den Asylgerichtshof habe sich in den vergangenen Jahren auf 717 Fälle verdreifacht.

Stoisits zeigte sich „verwundert“, dass der Präsident des Asylgerichtshofs, Harald Perl, nie weitere Arbeitskräfte gefordert habe. Perl selbst wies die Vorwürfe der Volksanwältin am Montag scharf zurück: Das Asylgericht habe zu „einer in dieser Form noch nie da gewesenen nachhaltigen Beschleunigung“ bei den Asylverfahren beigetragen. Neben dem Abbau der Altverfahren habe man 70Prozent der beim Asylgerichtshof neu anhängig gewordenen Beschwerdeverfahren abschließen können. Die übrigen 30Prozent wolle man „sukzessive an die gesetzliche Entscheidungsfrist heranführen“.

Zahl der Beschwerden steigt

Die Zahl der Bürger, die sich an die Volksanwälte wenden, befindet sich generell im Steigen. Rund 16.200 Beschwerden gingen im Jahr 2011 ein, rund tausend mehr als im Jahr zuvor. Knapp 4000 Anfragen entfielen zwar auf Bereiche, für die die Volksanwaltschaft nicht zuständig ist (etwa der Inhalt von Gerichtsurteilen). Aber auch die Zahl der korrekt eingebrachten Beschwerden erhöht sich seit Jahren (siehe Grafik). Von den Prüffällen, die im Vorjahr abgeschlossen wurden, hielten die Volksanwälte in 12,4Prozent der Fälle tatsächlich einen Missstand in der Verwaltung fest.

Volksanwalt Peter Kostelka beklagte etwa, dass bei der Zuerkennung des Pflegegelds noch immer „inakzeptable Gutachter“ am Werk sind. Seine Kollegin Gertrude Brinek kritisierte die langen Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2012)

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