Nach dem angekündigten Rücktritt der Regierung wird ein früherer Termin immer unwahrscheinlicher. Der 5. September gilt als möglicher Wahltag. Ratingagenturen mahnen zur Budgetdisziplin.
Nach dem Zusammenbruch der Mitte-Rechts-Regierung in Den Haag nehmen niederländische Parteien Kurs auf Neuwahlen Anfang September. Forderungen nach einem Urnengang noch vor der Sommerpause des Parlaments im Juni seien nicht mehr mehrheitsfähig, erklärten am Dienstag Abgeordnete verschiedener Parteien. Als Wahltermin wird jetzt meist der 5. September genannt. Zuvor waren die Sozialdemokraten, die mit 30 der 150 Parlamentsmandate die größte Oppositionsfraktion stellen, von ihrer Forderung nach Neuwahlen am 27. Juni abgerückt. Vor allem die mit 23 Abgeordneten vertretene Freiheitspartei des Rechtspopulisten Geert Wilders hatte einen Wahltermin im September verlangt.
Wirtschaftsverbände sowie die Liberalen unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte hatten auf einen möglichst raschen Wahltermin gedrängt. Die Niederlande bräuchten schnell stabile politische Verhältnisse, um erforderliche Sparmaßnahmen durchsetzen zu können, hieß es zur Begründung.
Rutte hatte sich am Montag gezwungen gesehen, Königin Beatrix den Rücktritt seiner Regierung anzubieten. Sein Kabinett hat den Rückhalt des Rechtspopulisten Wilders im Parlament verloren. Zuvor hatte Wilders, Chef der Freiheitspartei PVV verkündet, das Minderheitskabinett aus Ruttes liberaler VVD und der christdemokratischen CDA nicht mehr zu unterstützen. Grund war der Streit um von der Regierung geplante Einsparungen. Die seit März andauernden Verhandlungen dazu waren am Wochenende gescheitert.
Sparpaket zur Wahrung der Euro-Kriterien
Ohne die Stimmen der Wilders-Partei PVV kann das Kabinett aber das Budget nicht durch das Parlament bringen. Das Sparpaket in Höhe von bis zu 16 Milliarden Euro ist nach Angaben Ruttes nötig, um die Auflagen des EU-Fiskalpaktes erfüllen zu können.
Nach dem Fall der Regierung wegen des Streits über Sparauflagen durch den EU-Fiskalpakt hatte die Rating-Agentur Moody's am Montag vor negativen Folgen gewarnt. Das Scheitern der Verhandlungen über das Sparbudget habe "negative" Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der Niederlande, erklärte die Agentur. Falls Moody's ein Nachlassen bei den Bemühungen um Haushaltsdisziplin feststelle, könne dies zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit führen.
Die Niederlande hätten zwar "sehr robuste" Institutionen, jedoch könne die aktuelle Regierungskrise zu einer Verunsicherung führen, warnte Moody's. Die politische Unsicherheit könne für den Rest des Jahres andauern, da nach vorgezogenen Neuwahlen auch noch Zeit bis zum Abschluss einer Koalitionsvereinbarung verstreichen werde.
Neuverschuldung stieg auf 4,7 Prozent
Im März wurde bekannt, dass die Neuverschuldung der Niederlande im vergangenen Jahr auf 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen war. In der Eurozone ist grundsätzlich nur eine Neuverschuldung von 3,0 Prozent zulässig. Bisher zählen die Niederlande zu den wenigen Mitgliedern der Eurozone, die von den großen Ratingagenturen mit der Bestnote "AAA" bewertet werden. Dies gilt sonst nur noch für Deutschland, Finnland und Luxemburg. Österreichs Bonität wurde von einer der drei Ratingagenturen auf AA+ herabgestuft.
Trotz der Regierungskrise konnte Den Haag am Dienstag problemlos am Anleihemarkt fast zwei Milliarden Euro zu unverändert niedrigen Zinssätzen aufnehmen, wie die niederländische Schuldenagentur mitteilte.
(Ag.)