Obwohl Premier Mark Rutte ausgerechnet über ein nicht durchgebrachtes Sparpaket seinen Job verloren hat, behält das Land sein AAA. Doch die Schulden steigen rasant an – was in Athen zu Schadenfreude führt.
Den haag. Gute Nachrichten von Ratingagenturen waren zuletzt ja eher selten. Ausgerechnet die Niederlande haben nun Grund zur Freude: Trotz der Regierungskrise wird die Agentur Moodys dem Land sein Toprating AAA belassen, wie sie in der Nacht auf Dienstag bekannt gab. Es war befürchtet worden, dass die politische Krise auch die Kreditwürdigkeit des Landes beeinträchtigen könnte.
Am Montag hatte Premier Mark Rutte bei Königin Beatrix den Rücktritt eingereicht. Rutte und sein Kabinett traten ab, weil es nicht möglich war, ein neues Sparpaket mit einem Volumen von 14 Mrd. Euro zu schnüren. Der Rechtspopulist Geert Wilders und dessen Freiheitspartei wollten einem solchen Sparpaket nicht zustimmen. Damit verlor Ruttes Minderheitsregierung aus Liberalen und Christdemokraten die Mehrheit im Parlament. Nach einem kurzem Streit über das Datum von vorgezogenen Wahlen zeichnet sich nun ein breiter Konsens darüber ab, dass diese am 5. September stattfinden sollen.
Auf den Finanzmärkten hat sich die Lage etwas beruhigt. Nachdem viele Anleger wegen der Regierungskrise am Montag aus holländischen Aktien und Staatsanleihen geflüchtet waren, erholten sich die Kurse der großen niederländischen Unternehmen an der Amsterdamer Börse am Dienstag.
Milliardenstrafe der EU droht
Dennoch betrachtet der Ökonom Sylvester Ejiffinger den Sturz der Regierung zum jetzigen Zeitpunkt als „Katastrophe“. Die Staatsschulden würden in den kommenden Monaten kräftig steigen, prophezeit er. Derzeit betragen sie bereits 67 Prozent des BIPs, und sie steigen täglich um 90 Mio. Euro.
Während in Griechenland die reinste Schadenfreude über die Unfähigkeit der Niederlande herrscht, die von Den Haag immer wieder eingeforderten Stabilitätskriterien nun auch selbst einzuhalten, dominiert in Brüssel das blanke Entsetzen darüber, dass nun auch Holland aus dem Boot der Stabilitätsländer zu fallen droht. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erinnerte süffisant daran, dass nicht in Brüssel, sondern in Amsterdam die Drei-Prozent-Norm für das maximale Budgetdefizit eines Eurolandes festgelegt worden war. Derzeit halten die Niederlande bei 4,6 Prozent. Falls sie es nicht schaffen, die Stabilitätskriterien, die sie selbst forderten, einzuhalten, droht eine Strafe der EU von bis zu 1,2 Mrd. Euro.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2012)