Man versteht nun die Piraten

Das deutsche Betreuungsgeld ist Unfug – und ein Symbol erstarrter Demokratie.

Geht es um Kinder, gerät das Blut rasch in ideologische Wallung. So auch beim deutschen Betreuungsgeld: Eltern, die ihre Kleinen nicht in die Krippe stecken, erhalten Geld vom Staat. Richtig oder falsch? Ganz nüchtern: Der Staat will die Pensionen sichern. Weil die Gesellschaft altert, droht er sich zu übernehmen. Dagegen helfen mehr berufstätige Frauen – die „Herdprämie“ aber hält Mütter tendenziell vom Job fern. Vor allem helfen mehr Kinder – da steht das Betreuungsgeld in Konkurrenz zum Ausbau der Krippenplätze. Vielleicht ist der Staat gar nicht in der Lage, Geburtenraten zu heben. Unsere Erfahrungen sind ja nicht die besten. Fest steht aber, dass Kinderbetreuung nicht flächendeckend angeboten wird. Fest steht auch, dass Frankreich und Skandinavien da weiter sind und dort genug Kinder geboren werden. Experten halten diesen Weg für wirksamer als Direktförderung von Familien. Wenn der Staat also schon viel Geld einsetzt, sollte er zuerst Krippenplätze ausbauen, bevor er von Wahlfreiheit philosophiert. Ergo ist das Betreuungsgeld Unfug.

Das haben die Deutschen erkannt, wie die breite Ablehnung von Wirtschaft bis Sozialdemokraten zeigt. Wäre da nicht die CSU, die ihre Macht demonstrieren will. Die CDU beugt sich und hält Abweichler mit teuren Geschenken still. Das ist keine lebendige Demokratie, sondern trostlose Packelei. Da versteht man die Wut der Piraten und jener, die sie in Scharen wählen. Wenn Politik alten Stils so Schiffbruch erleidet, tun sich auch ahnungslose Amateure leicht beim Entern.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.