Pakistans Militär zieht im atomaren Raketenwettlauf nach

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Pakistan meldet weniger als eine Woche nach einem indischen Raketentest den erfolgreichen Start einer Mittelstreckenrakete neuen Typs. Das Land darf auf die Unterstützung durch China zählen.

Bangkok/Islamabad. Weniger als eine Woche, nachdem Indien erfolgreich seine erste atomwaffenfähige Langstreckenrakete getestet hat, hat auch Pakistan den erfolgreichen Test einer neuen Rakete gemeldet. „Pakistan hat heute erfolgreich den Start der ballistischen Mittelstreckenrakete Hatf IV Shaheen-1A durchgeführt“, hieß es in einer Erklärung der Armee. Sie könne sowohl mit nuklearen als auch mit konventionellen Sprengköpfen bestückt werden.

Die genaue Reichweite der neuen Rakete geht aus der Erklärung nicht hervor. Talat Masood, ein General der pakistanischen Armee im Ruhestand und Militäranalyst, schätzt diese jedoch auf 2500 bis 3000 Kilometer. Damit befände sich beinahe ganz Indien in Reichweite von Pakistans Atomwaffen. Die Rakete sei Teil von Pakistans nuklearer Abschreckung, sagte Masood weiter, die vollständig „auf Indien fixiert“ sei. Indiens Raketenprogramm hingegen, fügte er hinzu, ziele auf China.

Das nukleare Wettrüsten in Südasien spielt sich in einer bizarren Dreiecksbeziehung zwischen Indien, Pakistan und China ab. Dabei hat Pakistan seine Nuklearstreitmacht vor allem China zu verdanken.

China verhalf Pakistan zur Bombe

Im einem Interview mit dem US-Magazin „Newsweek“ erzählte Abdul Qadeer Khan, der Vater von Pakistans „Islamischer Bombe“, im vergangenen Jahr, wie Indien das Wettrüsten in Südasien durch seinen ersten erfolgreichen Atomwaffentest mit dem Namen „Smiling Buddha“ 1974 ausgelöst habe: „Es war die indische Atomexplosion im Mai 1974, die unser Nuklearprogramm angespornt hat.“ Diese habe Khan dazu veranlasst, nach Pakistan zurückzukehren, um sein Land „vor der nuklearen Erpressung durch Indien zu retten“. 1998 zündete auch Pakistan seinen ersten erfolgreichen nuklearen Sprengsatz.

Nur selten wird dabei erwähnt, dass Khan einen Doktortitel in Metallurgie-Ingenieurswesen besitzt. Khan hat Anfang der 1970er-Jahre Blaupausen für den Bau von Zentrifugen für die Urananreicherung aus einem Labor in den Niederlanden gestohlen und nach Pakistan gebracht. Das Wissen für den tatsächlichen Bau einer Atombombe besaß er jedoch nicht. Dieses stellte mit größter Wahrscheinlichkeit Peking zur Verfügung.

Der Washingtoner Thinktank „Carnegie Endowment for International Peace“ stellt in einer Studie aus dem Jahr 2005 fest: „Chinas Unterstützung bei Pakistans Nuklearprogramm [...] dürfte bei Pakistans atomaren Durchbrüchen in den 1980er-Jahren entscheidend gewesen sein.“ China, heißt es in dem Bericht weiter, habe Pakistan mit Bauplänen für eine seiner älteren Atombomben und womöglich mit angereichertem Uran für zwei solche Waffen versorgt. Zudem habe Peking Islamabad beim Bau des Plutoniumreaktors in Khusab unterstützt, der Pakistan dazu in die Lage versetzt habe, sein eigenes waffenfähiges Plutonium herzustellen. Mit dem ersten erfolgreichen pakistanischen Atombombentest 1998 war Indiens überwältigende konventionelle militärische Überlegenheit in Südasien dann neutralisiert.

Aus dem Nachlass von A. Q. Khan

Doch bei der atomaren Aufrüstung Pakistans ist es nicht geblieben. Islamabad sollte sich als profiliertester Verbreiter von Wissen zum Bau von Atombomben weltweit erweisen. 2002 stellte die CIA in einem Bericht fest, dass Pakistan Nordkorea beim Bau einer Bombe geholfen habe. Khan sei hierfür mindestens 13-mal nach Nordkorea gereist, auch den Iran und Libyen hat das Khan-Netzwerk mit nukleartechnischem Know-how versorgt.

Von US-Ermittlern damit konfrontiert, blieb Pakistans damaligem Diktator Pervez Musharraf nichts anderes übrig, als zu handeln. Die Behörden stellten Khan 2004 unter Hausarrest. Kurz darauf veröffentlichte die Regierung ein Geständnis Khans, in dem der Wissenschaftler die Vorwürfe bestätigte – die pakistanischen Behörden freilich hätten von all dem nichts gewusst.

US-Bevorzugung Indiens?

Doch nicht nur Peking griff in das nukleare Machtgefüge in Südasien ein: 2008 beschloss die Gruppe der Kernwaffen-Lieferländer (NSG) auf massiven diplomatischen Druck der USA, Indien mit nuklearem Brennstoff und ziviler Kernenergie-Technologie zu versorgen, obwohl das Land den Kernwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat. Indien hat damit die nun Möglichkeit, sein eigenes im Land gefördertes Uran ausschließlich für den Bau von Atombomben zu verwenden.

Auf Islamabads empörten Einwand, Pakistan wünsche sich ebenfalls eine solche Ausnahmeregelung, gingen die USA nicht ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2012)

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