Diskussion: Zu wenig Gleichbehandlungsbeauftragte

Diskussion wenig Gleichbehandlungsbeauftragte
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Wie steht es um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen an den Hochschulen? Schlecht, so der Tenor bei der jüngsten ÖH-Podiumsdiskussion.

Wien. Es ist selten, dass die Österreichische Hochschülerschaft mit der Politik einer Meinung ist. Noch seltener ist es, dass eine Ministerin zur Besetzung aufruft. Beides ist am Mittwoch bei der Podiumsdiskussion „Bildung, Hochschule und Geschlechterpolitiken“ der ÖH-Bundesvertretung in der Technischen Universität (TU) Wien passiert. Dort nämlich regte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) an, am 12. Mai die Wiener Ringstraße zu besetzen. Die Plattform „20.000 Frauen“ startet an diesem Tag eine Großaktion: Um Frauenthemen in die Öffentlichkeit zu tragen, wird am Ring eine Zeltstadt erbaut. ÖH-Chefin Janine Wulz versprach im Gegenzug, die Ministerin ebenfalls einzuladen, „falls wir auch nochmal eine Besetzung durchführen sollten“.

Von Anna Babka, Assistenzprofessorin am Institut für Germanistik, ließ sich die Ministerin bei der Podiumsdiskussion auch noch einen Tipp geben: „Gender sollte als Basiswissen in jeder Fakultät gelehrt werden. Nur so kann die Selbstreflexion in der Gesellschaft einsetzen“, so Babka. Heinisch-Hosek notierte sich diesen Punkt – sie werde versuchen, das in einem ersten Schritt an den Pädagogischen Hochschulen umzusetzen.

Im gesamten Hochschulsektor seien Frauen und Männer bis heute nicht gleichberechtigt, so der Tenor: „Wollen Frauen die Karriereleiter nach oben klettern, würden ihnen Stolpersteine in den Weg gelegt.“ Das zeigt sich nicht zuletzt an den Frauenanteilen im Uni-Betrieb: So sind zwar 53 Prozent der Studierenden weiblich – beim wissenschaftlichen Personal sind es aber nur noch 39 Prozent, bei den Professoren gar nur 21 Prozent. Rektorinnen gibt es vier, sie haben 17 männliche Kollegen. Die Universitäten, so die Kritik der Diskutantinnen, seien damit ein „Spiegel der Gesellschaft“, in der Frauen immer noch um Gleichbehandlung kämpfen müssten.

Schuld daran sei unter anderem, dass zu wenige Gleichbehandlungsbeauftragte an den Unis tätig seien. „Eigentlich ist das ein Fulltime-Job“, meint Assistenzprofessorin Babka. „Doch wir machen es freiwillig – und neben unserer eigentlichen Arbeit.“ Im Gegensatz zur Frauenministerin: „Ich kriege viel Geld dafür“, gibt sie zu. „Doch allein bin ich machtlos.“ In der Koalition müsse sie viele Kompromisse eingehen. Außerdem finde sie es schade, dass in der Diskussionsrunde nur Frauen sitzen würden, die „ohnehin“ derselben Meinung seien – nämlich, dass Wissenschaftlerinnen stärker zu fördern sind und die Gesellschaft sensibilisiert werden müsste. Und auch, dass Quoten wichtig seien, denn „ohne die wäre ich heute gar nicht hier“, sagt Heinisch Hosek.

„Töchterle sollte mitdiskutieren“

Kritik übt die SPÖ-Politikerin auch an Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP): Er sei gefordert, noch stärker mit den Frauen mitzudiskutieren. ÖH-Chefin Wulz gibt ihr recht: „Der Wissenschaftsminister redet gerne Dinge schön.“ Er würde feiern, dass es ganze vier Rektorinnen gebe. „Dabei ist das die Konsequenz eines langen Kampfs“, meint Wulz.

Ein Kampf, der übrigens in Österreich im Jahr 1919 (und noch früher) begonnen hat: Seit diesem Jahr dürfen sich Frauen an Hochschulen immatrikulieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)

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