Simulation: "Marsmenschen" auf Dachstein gelandet

Simulation Marsmenschen Dachstein gelandet
Simulation Marsmenschen Dachstein gelandet(c) EPA (BARBARA GINDL)
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In den Dachstein-Rieseneishöhlen im Salzkammergut simulieren internationale Expertenteams die Erforschung des Roten Planeten.

Es ist kalt. Etwas über null Grad. Es ist eine feuchte Kälte, die bewegungslos und unnachgiebig im Raum steht und ihn ausfüllt wie eine unsichtbare Masse, und langsam, ganz langsam, kriecht sie durchs Gewand.

Von der Decke der gewaltigen Felskaverne hängen Eiszapfenmassen wie umgekehrte Märchenschlösser, Wasser sprüht herab und meterdicke Eiszungen winden sich unten auf dem Grund. Plötzlich bohren sich Lichtstrahlen ins Dunkel, Schatten tanzen über die bräunlichen Felswände, ein metallisch kratzendes Tappen kommt näher, eine Gestalt biegt um die Ecke, silbrig und klobig, seitlich von ihrem Kopf schießen Lichtstrahlen – das Ding aus einer anderen Welt!

Nein, ist es nicht. Es ist Daniel Schildhammer, ein 28-jähriger Physiker aus Oberösterreich, in einem Raumanzug. In den haben ihn die Menschen vom „Österreichischen Weltraumforum“ (ÖWF) gesteckt, das sind Raumfahrtexperten mit guten Kontakten zu Nasa und ESA, die eine Weltpremiere geliefert haben: Mit Teams aus zehn anderen Ländern werden seit 27. April und bis 1. Mai Experimente zur Erforschung des Mars durchgeführt, und zwar erstmals an einem unterirdischen Ort: den Mammut- und Rieseneishöhlen im Dachstein oberhalb von Obertraun im Salzkammergut.

Was das vereiste Höhlensystem in ca. 1455 Meter Seehöhe mit dem Roten Planeten zu tun hat, der sich uns maximal auf 56 Millionen Kilometer nähert? „Man weiß, dass es auf dem Mars Höhlen gibt“, sagt Astrophysiker und ÖWF-Vorstand Gernot Grömer (*1975) von der Uni Innsbruck. „Dort gibt es stabile Umweltbedingungen und Schutz vor kosmischer Strahlung, ein idealer Rückzugsraum für zumindest bakterielles Leben.“ Falls auf Mars je so etwas existiert habe, könne man es in den Höhlen eher finden als an der Oberfläche. „Daher sind die Dachsteinhöhlen eine Modellregion für uns“, sagt Grömer.

Freilich eine fast mediterrane, verglichen mit dem Mars, denn in den Höhlen dort hat es minus 70 Grad und weniger; allerdings ist das Leben sehr widerstandsfähig, wie man auf der Erde durch Funde von Mikroben in heißen Quellen und antarktischen Eismassen weiß.

Prinzessin als Namensgeberin

Schildhammer tut sich jedenfalls schwer, wie er im Raumanzug durch die Höhle stapft; der heißt „Aouda“, benannt nach einer indischen Prinzessin aus dem Roman „In 80 Tagen um die Welt“, und wiegt 45 Kilogramm. Die Leute vom ÖWF haben ihn gebaut, er besteht aus Kevlargewebe und Aluminiumschichten und einem Helm und komme einem „endgültigen“ Marsanzug extrem nahe, sagt Grömer. Man könne darin über Sonden essen und trinken (und auch anderes, Unaussprechliches tun), arbeite man, könne man ihn etwa elf Stunden am Stück tragen, und bis zu drei Tagen bei Inaktivität. Er ist mit Sensoren mit der Umwelt verbunden, kann mit anderen Computern und Marsrovern kommunizieren, der Zustand des Trägers wird per Funk an die Kontrollstation übertragen – die sich nicht nur auf dem Dachstein, sondern zeitweise in Neuseeland befindet, weil man Möglichkeiten zur Fernsteuerung und Kontrolle testet.

Zu den anderen Versuchen in den Höhlen zählen solche mit Mars-Rovern, etwa dem dreiachsigen polnischen „Magma White“; er trägt das französische Bodenradarsystem „Wisdom“, mit dem man den Untergrund bis in etwa drei Meter Tiefe durchleuchten kann.

Wie sich Keime verbreiten

Mit Aouda testet man auch, wie leicht man unbeabsichtigt irdische Keime auf andere Himmelskörper bringen bzw. zur Erde holen kann. Dazu wird der Anzug mit winzigen, fluoreszierenden Kügelchen verunreinigt; später schaut man nach, wo sich diese Dinger aus einer anderen Welt – jener von draußen, wo der Hallstättersee blau in der Tiefe liegt – in der Höhle wiederfinden.

Und so kommen Schildhammer, ein junger Mann mit gutmütigen braunen Augen und Bart, und seine Kollegen (ein bisserl trainiert müsse man dafür schon sein, heißt es) in der Kälte ziemlich ins Schwitzen. Vielleicht aber weniger als 2013: Dann wird Aouda nämlich in Marokko getestet.

Auf einen Blick

Das ÖWF (Österreichisches Weltraumforum) und ausländische Teams führen bis 1. Mai in den Dachsteinhöhlen diverse Experimente zur Erforschung des Mars durch. Ein Team (die deutsch-österreichischen „Part-Time-Scientists“) hat den Rover „Asimov“ dabei, der bis 2015 zum Mond gebracht werden könnte.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.oewf.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)

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