Vor sechs Jahren baute Albert Fellner ein Handy für seine betagte Mutter. Mittlerweile verkauft das Linzer Familienunternehmen jährlich eine Million Stück dieser sogenannten Seniorenhandys in 30 Ländern.
Linz. „Die arme Frau wird jetzt immer getestet“, erzählt Eveline Pupeter-Fellner. Sie spricht von ihrer mittlerweile 84-jährigen Schwiegermutter. Denn die pensionierte Lehrerin ist indirekt schuld an der Erfolgsgeschichte der Linzer Firma Emporia. Jahrelang beschäftigte sich ihr Sohn Albert Fellner mit Festnetztelefonen und Anrufbeantwortern. Der Techniker bot Dienstleistungen rund um die Telekommunikation an. Das Handy diente ihm bis 2006 nur als Mittel zum Zweck. Bis er es eines Tages satt hatte, seiner Mutter immer und immer wieder ihr Handy neu einzustellen. Das Problem sei nicht seine Mutter, sondern das Handy, konstatierte er und versprach: „Ich bau dir jetzt ein Handy, Mama!“
Das Handy war anders als herkömmliche Handys. Es konnte vergleichsweise wenig: Telefonieren und SMS, mehr nicht. Dafür hatte es ein großes Display, eine große Schrift, große Tasten und eine sehr einfache Bedienung. Schnell war Fellner klar, dass er nicht seiner Mutter, sondern sich selbst den größten Gefallen gemacht hatte. Das Seniorenhandy aus Linz trat seinen Siegeszug an.
Es fehlt an Fachkräften
Dieser Tage war Fellner wieder gemeinsam mit seiner Frau im südchinesischen Shenzhen. Dort werden die Handys der Marke Emporia zusammengebaut. „Wir haben ursprünglich versucht, in Europa zu produzieren“, erzählt Pupeter-Fellner. Doch in China koste die Produktion eines Handys drei Euro, in Europa 30 Euro. Mittlerweile gehe es allerdings nicht nur um die Produktionskosten. „Es ist schwer, gute Softwareentwickler zu bekommen“, klagt die Kogeschäftsführerin. Auch Fachpersonal sei mittlerweile in China leichter – und natürlich kostengünstiger – zu bekommen als hierzulande. Das heißt: Aus Österreich allein kann Emporia Softwarespezialisten schon längst nicht mehr rekrutieren. „Wir beschäftigen Fachkräfte aus Bosnien und Ungarn“, klagt die Geschäftsführerin über knappe Ressourcen beim Personal.
130 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, das zu 100 Prozent in Besitz des Ehepaars Fellner ist. 60 Leute befassen sich in Linz mit Entwicklung und Design. 30 Mitarbeiter sind in China mit der Produktion beschäftigt, hinzu kommen knapp drei Dutzend Sales Manager in den Absatzmärkten. Seit Anfang des Jahres ist Emporia auch in den USA vertreten. „Das nächste Land, das wir in Angriff nehmen, ist Australien“, erzählt Pupeter-Fellner. Derzeit verkauft das Unternehmen jährlich eine Million Handys und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 50 Millionen Euro.
Längst versteckt sich hinter dem einfach zu bedienenden Seniorenhandy ein Hightech-Gerät. Statt E-Mail, Internet und Apps steckt allerdings ein unsichtbarer Schutzengel in dem Gerät. Emporia liefert mit seinen Handys nämlich ein umfangreiches Sicherheitspaket mit.
Schutzengel im Handy
„Es geht darum, den Leuten zu ermöglichen, möglichst lange zu Hause bleiben zu können“, sagt Pupeter-Fellner. Das Handy verfügt über eine Nottaste, wird diese gedrückt, geht der Anruf entweder zu Verwandten oder direkt zu einer Hilfsorganisation. Natürlich kann das Handy via GPS punktgenau geortet werden. In Deutschland arbeitet Emporia mit dem Roten Kreuz zusammen. Von den Helfern werden nicht nur Notrufe entgegengenommen. Registriert ein Sensor im Handy eine Erschütterung und danach keine Bewegung mehr, schlägt das Gerät ebenfalls Alarm. Schließlich könnte dies ein Anzeichen auf einen Sturz sein. Wird das Handy längere Zeit nicht benutzt, meldet sich ebenfalls die Hilfsorganisation. In Österreich etwa der Samariterbund. In den USA sei das American Institute for Health an einer Zusammenarbeit interessiert, berichtet die Geschäftsführerin. Und manchmal rufen die Helfer im Hintergrund auch nur an, um die Senioren daran zu erinnern, das Handy aufzuladen, bevor der Akku endgültig leer ist.
Und natürlich verlässt sich Albert Fellner bei der Weiterentwicklung seiner Handys nicht mehr allein auf die Intuition seiner Mutter. Er hat mit John Clarkson, einem Professor an der Universität Cambridge, einen wichtigen Berater gefunden. Clarkson ist Experte auf dem Gebiet der Usability, also der Bedienungsfreundlichkeit von Geräten. So verfügt die Londoner Elite-Uni über Apparaturen, die körperliche Beeinträchtigungen simulieren. Etwa Sehstörungen. Oder motorische Probleme. Menschen mit Hörgerät klagen beim Telefonieren mit dem Handy oft über Rückkoppelungen. Auch dieses Problem wurde bei der Entwicklung bedacht. Mittels magnetischer Induktion wird das Sprechsignal vom Handy direkt auf das Hörgerät übertragen.
Seit dem vergangenen Jahr sitzt auch der frühere Telekom-Austria-Chef Boris Nemšić im Beratergremium. Immer wichtiger wird die Expertise des Linzer Universitätsprofessors Robert Bauer, betont Pupeter-Fellner im Gespräch mit der „Presse“. Bauer begleitet das Unternehmen beim Wachstumsprozess, berät bei der Erstellung neuer Organisationsstrukturen, bei der Produktionsplanung. „Unser rasantes Wachstum ist eine unserer größten Hürden“, gesteht die Geschäftsfrau. So erhält das Wort Wachstumskrise eine ganz neue Bedeutung.