Zwölf Grundsätze: ÖVP gibt sich „Verhaltenskodex“

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Experten haben einen Entwurf an Parteichef Spindelegger übermittelt. „Ethikrat“ soll Politiker beraten – und bestrafen.

Wien. „Der gnädige Herr hat stets so unwiderstehliche Argumente in der Tasche.“ Jurist Wolfgang Mantl holt am Freitag sogar bis ins Jahr 1816 aus: Da wurde der „Barbier von Sevilla“ uraufgeführt, und Kernthemen der Oper sind – siehe Zitat – Bestechung und Korruption. Heute sollen sie möglichst keine Chance mehr haben, schon gar nicht in der Politik, wie Mantl „nach jüngeren Vorfällen“ betont: Als einer von drei Experten hat er im Auftrag der ÖVP ehrenamtlich einen „Verhaltenskodex“ für die Partei erstellt und den Entwurf am Freitag ÖVP-Chef Michael Spindelegger übergeben. Der Vizekanzler will nun in den Parteigremien darüber beraten. Ein Entschluss über die endgültige Fassung soll demnächst im Parteivorstand fallen.

Details stünden noch zur Diskussion, die groben Linien würden aber „sicher bleiben“, sagt Spindelegger. Fix ist bisher: Zwölf Grundsätze sollen es nach dem Vorschlag der Experten sein. Außer Mantl haben Spindelegger und seine Partei die frühere Nationalbankpräsidentin Maria Schaumayer und den Vorarlberger Altlandeshauptmann Herbert Sausgruber mit den Anstandsregeln beauftragt, die die ÖVP aber erst nach der Sitzung des Parteivorstands in vollem Umfang publik machen will. Die Kernelemente nach ersten Informationen vom Freitag:

•Keine Vorteile: Sämtliche Amtsträger der Partei – etwa die Abgeordneten auf allen Ebenen – sollen Geschenke und sonstige Vorteile, die ihnen angeboten werden, besonders kritisch prüfen. Die ÖVP will hier noch „deutlich“ über jene Regeln hinausgehen, auf die sie sich erst in der Vorwoche mit der Kanzlerpartei im rot-schwarzen „Transparenzpaket“ grundsätzlich geeinigt hat.

Vor allem, wenn Geschenke von Unternehmen kommen und eine konkrete Erwartung an ihre Arbeit damit verbunden ist, sollen ÖVP-Politiker sie nicht annehmen dürfen. Beispiel: Politiker (etwa Landeshauptleute), die zur Jagd eingeladen werden, sollen daran teilnehmen dürfen, wenn sie damit eine „Repräsentationsaufgabe“ erfüllen. Den oft sehr teuren Abschuss eines Tieres sollen sie aber selbst bezahlen müssen.

•Keine Verschwendung: Ressourcen wie der Dienstwagen sollen „maßvoll“ eingesetzt werden. Beispiel: Ein Politiker soll unter Umständen – wenn es kein nennenswerter Umweg ist – Angehörige im Dienstwagen mitnehmen dürfen. Aber von wegen „Barbier“: „Nicht für den Friseurbesuch der Frau“, sagt Sausgruber. „Und nicht für den Urlaub.“

Apropos Reisen: Urlaube auf Einladung von Firmen gelten in der Regel als „No-Go“, (Dienst-)Reisen auf Kosten der Steuerzahler nicht: Sie sollen möglich sein, wenn es zum Beispiel um Mandatare geht, die außenpolitische Themen betreuen.

•Sponsoring und Inserate:
Beides wolle man „nicht verteufeln“, wie Sausgruber es ausdrückt. Zwischen Leistung und Gegenleistung müsse aber ein „beachtlicher Wertzusammenhang“ bestehen, spricht er sich namens der Experten für „realistische“ Summen und gegen Schmiergeldzahlungen aus.

Regeln für alle, Sanktionen bis zum Austritt

Doch wann ist die Grenze des Anstands überschritten, den die ÖVP zu ihrem neuen Grundprinzip erklärt hat? Entscheiden soll künftig ein eigener „Ethikrat“ der Partei. Wer darin vertreten sein wird, will Spindelegger noch nicht sagen: „Wir werden entsprechende Personen benennen, die in dem Gremium in Richtung Beratung tätig werden.“ Also etwa in Grenzfällen Politikern sagen, „was geht und was nicht“, wie er auf „Presse“-Anfrage erklärt. Und wenn jemand gegen die Regeln verstoßen hat? Dann werde es, abgestuft, Sanktionen geben: von der Ermahnung „bis zum Parteiausschluss, natürlich“.

Zur Orientierung will Spindelegger bald eigene „Ethikseminare“ an der Politischen Akademie der ÖVP anbieten, die „Stück für Stück“ alle ÖVP-Politiker in Bund, Ländern und Gemeinden absolvieren sollen.

Gelten soll der „Verhaltenskodex“ für sämtliche Amtsträger der Partei, nicht aber für „einfache“ Parteifunktionäre wie zum Beispiel einen Kassier des ÖVP-Bauernbundes. Sausgruber: „Das wäre überschießend.“

Die Opposition reagierte auf den (geplanten) ÖVP-Kodex mit Häme: Harald Vilimsky von der FPÖ sprach von „No-Na-Reglements“, die Grünen von einem „zahnlosen Ablenkungsmanöver“. Bei der SPÖ hieß es nur, man werde in der Koalition darauf drängen, dass es rasch zu einem „bundesweit einheitlichen Gesetz“ analog zum bereits präsentierten „Transparenzpaket“ kommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2012)

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