Wie Urheber im Web zu ihrem Recht kommen könnten

(c) Dapd (Ronald Zak)
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Urheber haben keine Chance zu erfahren, wem eine IP-Adresse zugewiesen war, mit der eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Auswege wären möglich und sinnvoll.

Wien. Mit der vor Kurzem ergangenen EuGH-Entscheidung Bonnier Audio gegen Perfect Communication ist die Diskussion eröffnet, ob die seit 1. April auf Vorrat gespeicherten Daten zur Identifizierung von Urheberrechtsverletzern verwendet werden sollen.

Konkret stellt sich die Frage, ob Internet-Access-Provider (sie verschaffen dem Nutzer einen Zugang zum Internet) Auskunft darüber zu erteilen haben, wem eine IP-Adresse zugewiesen war, mit der eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied, dass das Unionsrecht einem urheberrechtlichen Anspruch auf Auskunft über Vorratsdaten nicht entgegensteht. Mitgliedstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, einen solchen Auskunftsanspruch vorzusehen (C461/10).

Das österreichische Recht sieht im Urheberrechtsgesetz explizit eine Auskunftspflicht für Access-Provider vor. Eine vergleichbare Bestimmung, die auch bei sonstigen Rechtsverletzungen grundsätzlich einen Auskunftsanspruch einräumt, findet sich im E-Commerce-Gesetz (ECG). Die österreichische Rechtsprechung bejahte zudem ausdrücklich die Anwendbarkeit dieser Bestimmung des ECG auf Access-Provider (OGH 4 Ob 7/04i).

Vorratsdaten werden gespeichert

Bisher konnten Access-Provider eine Auskunft nach den genannten Bestimmungen faktisch nicht erteilen, da sie – dem Telekommunikationsgesetz entsprechend – nicht speicherten, wem jeweils welche IP-Adresse zugewiesen wurde. Selbst wenn diese Daten (in rechtswidriger Weise) dennoch gespeichert waren, durfte keine Auskunft erteilt werden (OGH 4 Ob 41/09x - LSG/Tele2). Durch das Inkrafttreten des Gesetzes über die Vorratsdatenspeicherung am 1.April 2012 sind die fraglichen Daten nunmehr zulässigerweise bei Access-Providern vorhanden, sodass die Auskunftspflichten erstmalig auch faktisch erfüllt werden könnten.

In rechtlicher Hinsicht wurden bei der Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung jedoch sämtliche privatrechtlichen Auskunftsansprüche abgeschnitten. Vorratsdaten im Sinn des Gesetzes dürfen nur zu Zwecken der Auskunft an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden verarbeitet werden. Damit stellt sich die Frage nach der Verfolg- und Strafbarkeit von Urheberrechtsverletzungen.

Das Urheberrechtsgesetz sieht vor, dass eine gerichtliche Strafbarkeit grundsätzlich gegeben ist, ausgenommen eine unbefugte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch. Das Strafdelikt der Urheberrechtsverletzung ist jedoch ein „Privatanklagedelikt“, bei dem das Opfer, also der Rechteinhaber, die Anklage zu führen hat.

Nach der alten Strafprozessordnung (StPO), die bis 2007 galt, wäre die Ausgestaltung als Privatanklagedelikt einem strafrechtlichen Auskunftsanspruch nicht entgegengestanden, da der Privatankläger im Rahmen des Vorverfahrens eine gerichtliche Anordnung über die Auskunftserteilung hätte beantragen können.

Nach der seit 2008 geltenden neuen StPO sind jedoch nicht mehr die Gerichte, sondern ist die Staatsanwaltschaft für das Vorverfahren zuständig. Diese könnte zwar nach einer seit 1. April 2012 in Kraft stehenden neuen Bestimmung der StPO – ohne, dass es auf die Strafhöhe ankäme – Auskunft darüber fordern, wem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war. Die Staatsanwaltschaft wird bei Privatanklageverfahren jedoch nicht tätig, weshalb es bei strafbaren Urheberrechtsverletzungen kein Vorverfahren gibt und der Auskunftsanspruch des Staatsanwalts im Bereich des Urheberrechts ohne Bedeutung bleibt.

Privatanklagedelikt als Hemmnis

Auch die ansonsten weitgehenden Befugnisse der Sicherheitspolizei nach dem Sicherheitspolizeigesetz kommen nicht zur Anwendung, da es dieser Behörde ebenso an der Zuständigkeit für Privatanklagedelikte mangelt.

An dieser für Rechteinhaber unbefriedigenden Situation hätte das Anti Counterfeiting Trade Agreement (Acta) eine entscheidende Veränderung gebracht: Nach dessen Artikel 26 hätten Urheberrechtsverletzungen zumindest in schweren Fällen als von der Staatsanwaltschaft zu verfolgende Delikte ausgestaltet werden müssen. Dies hätte den Weg zu den staatsanwaltlichen Auskunftsansprüchen eröffnet.

Zusammenfassend haben Urheber, deren Rechte verletzt werden, nach geltendem Recht keinerlei Möglichkeit, eine Auskunft darüber zu erhalten, wem eine IP-Adresse zugewiesen war, mit der eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Aus Sicht der Urheber ist diese Situation nachvollziehbarerweise unbefriedigend.

Es wird daher diskutiert, ob näher zu definierende schwere Urheberrechtsverletzungen nicht als „Ermächtigungsdelikte“ ausgestaltet werden sollten. Der Urheber könnte dann den Staatsanwalt zur Verfolgung ermächtigen, der das weitere Vorverfahren durchzuführen hätte und insbesondere Auskunftsansprüche an Access-Provider stellen könnte. Von Amts wegen müsste hingegen nicht ermittelt werden, wodurch die Urheber nach wie vor die Kontrolle über die Durchsetzung ihrer Rechte behielten und die Staatsanwaltschaft keiner übermäßigen zusätzlichen Arbeitsbelastung ausgesetzt wäre.

Alternativ könnte darüber nachgedacht werden, im Telekommunikationsgesetz nicht nur die Auskunftsansprüche der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, sondern auch der Urheber zu verankern. Insbesondere erscheint es bemerkenswert, dass eine Auskunftsanordnung eines Staatsanwalts unabhängig von der Strafhöhe und somit selbst bei Kleinstkriminalität erlassen werden kann, während bei schweren Urheberrechtsverletzungen, die mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, im Ergebnis kein Auskunftsanspruch bestehen soll. Weiters sieht die geltende StPO bereits vor, dass Privatankläger – wie z.B. Urheber, deren Rechte verletzt wurden – insbesondere zu Zwecken der Sicherstellung von Eingriffsgegenständen Hausdurchsuchungen beantragen können. Weshalb diese Form des weitaus schwereren Grundrechtseingriffs zulässig ist, ein Auskunftsbegehren gegenüber einem Access-Provider hingegen nicht möglich sein soll, ist kaum nachvollziehbar.

Aufgrund dieser Überlegungen und des vorliegenden EuGH-Urteils könnte daher erwogen werden, Rechteinhabern privatrechtliche Auskunftsansprüche darüber, wem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, zumindest in jenen Fällen einzuräumen, in denen eine schwere Urheberrechtsverletzung vorliegt.

Dr. Lukas Feiler, SSCP und
Mag. Michaela Petsche sind
Rechtsanwaltsanwärter bei
Wolf Theiss Rechtsanwälte.

Auf einen Blick

Rechtsverfolgung. Die geltende Strafprozessordnung sieht bereits vor, dass Urheber, deren Rechte verletzt wurden, als Privatankläger Hausdurchsuchungen beantragen können, um verdächtige Gegenstände sicherstellen zu lassen. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum ein weniger gravierender Eingriff in Form eines Auskunftsbegehrens gegenüber Internetprovidern nicht möglich ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

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