Italien: „Die Skandale sind zu weit gegangen“

Italiens Ex-Premier Romano Prodi.
Italiens Ex-Premier Romano Prodi.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der einstige italienische Premier und EU-Kommissionspräsident Romano Prodi über die Krise traditioneller Parteien in Italien und den Problemfall Griechenland.

Die Presse: Der Sieger der Regionalwahl in Italien ist der Komiker Beppe Grillo. Und Italiens Regierung wird von Experten rund um Mario Monti geführt. Ist das das Ende eines Italien, das von traditionellen Parteien regiert wird?

Romano Prodi: Wenn wir nicht die Botschaft senden, dass Europa die Probleme lösen kann, werden die Grillos überall in Europa immer mehr werden. Ich war nicht überrascht von den Ergebnissen der Wahlen in Griechenland und Italien. Für viele Menschen gibt es kein Licht am Ende des Tunnels. Das Wahlergebnis ist keine Belohnung für Grillo, sondern eine Bestrafung für die traditionellen Parteien: wegen der Wirtschaftslage und dem Missmanagement.


Monti setzt mit seiner Expertenregierung nun aber Dinge durch, die die traditionellen Politiker nicht durchsetzen konnten.

Das stimmt, sie waren nicht in der Lage, das zu tun. Silvio Berlusconi konnte das in den vergangenen fünf Jahren nicht tun. Monti hat in weniger als sechs Monaten viel umgesetzt. Das Pensionsalter wird hinaufgesetzt, wir haben unser Pensionssystem für Jahrzehnte gesichert. Aber die Opfer sind hoch.


Aber was bedeutet das für das Parteiensystem, wenn ein Premier Nötiges umsetzen kann, weil er nicht vor die Wähler treten muss?

Die Regierung Monti muss jeden Tag vor das Parlament treten, um sich ihre Maßnahmen absegnen zu lassen. Der Prozess, der derzeit in Italien abläuft, wird die politischen Parteien dazu zwingen, sich völlig zu ändern, sonst werden sie die Macht verlieren. Die Skandale sind zu weit gegangen. Sie haben nicht nur eine Partei betroffen, sondern alle Parteien.

Griechenland scheint am Rande des Scheiterns. Was heißt das für Europa?

Ich kann nicht verhehlen, dass ich froh über das Wahlergebnis in Frankreich bin. Zugleich bin ich sehr besorgt über das Wahlergebnis in Griechenland. Die Entscheidungen der griechischen Regierung sind sehr hart, viele Griechen sehen keine Perspektive. Wir müssen jetzt abwarten, ob es Griechenland gelingt, eine Regierung zu bilden. In jedem Fall brauchen wir eine Politik für Griechenland.

Es gibt aber bereits eine Politik – und zwar, dass Griechenland sein Defizit verkleinern muss.

Ja, das ist festgeschrieben. Man braucht kein anderes Abkommen. Die Frage ist, wie man es langfristig akzeptabel machen kann für eine neue Regierung. Denn ich denke, es ist nicht möglich, zusätzlichen Belastung für Griechenland zu verhängen. Man braucht einen weiteren Schuldenschnitt. Die Herausforderung ist sonst für Griechenland unmöglich zu bewältigen. Das Land ist klein genug, um eine Rettung möglich zu machen.

Wäre es besser, wenn Griechenland die Eurozone verlässt?

Das könnte der Anfang vom Ende sein.

Griechenlands oder der Eurozone?

Das Ende von allem. Wenn Griechenland beginnt, warum sollten dann nicht auch Portugal, Spanien oder Italien folgen?

Derzeit scheinen bei diesen Fragen die Regierungschef und Minister der EU-Staaten das Kommando zu haben. Wo ist die Europäische Kommission?

Die Kommission hat Macht verloren hat. Aber nicht nur die Kommission, sondern auch alle anderen Länder außer Frankreich und Deutschland. Das hat eine unmögliche Situation geschaffen, in der niemand die gemeinsamen Interessen repräsentiert.

Zur Person

Romano Prodi war zwei Mal Premier italienischer Mitte-Links-Regierungen und 1999 bis 2004 Präsident der EU-Kommission. Prodi war auf Einladung der Akademie für Evangelisation zu Gast in Wien und nahm an einer Diskussionsveranstaltung mit Kardinal Schönborn über Europas Zukunft teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2012)

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