Mitterlehner: "Manches sage ich vielleicht zu früh"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im Interview mit der "Presse": Mitterlehner will am Fiskalpakt der Europäischen Union festhalten, allerdings mehr Augenmerk auf das Wachstum legen.

Die Presse: Sie scheren mit Ihren Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen zur Konjunkturbelebung und damit weniger Sparzwang aus der Phalanx von der ÖVP bis Deutschland aus.

Reinhold Mitterlehner: Ich schere überhaupt nicht aus. Ich vertrete konsequent eine Linie, der auch meine Partei folgt. Wir brauchen beides: Budgetdisziplin und daher Festhalten am neuen Fiskalpakt einerseits, aber eben auch ein stärkeres Augenmerk als bisher auf die Wachstumsproblematik andererseits.

Beides wird nur schwer möglich sein.

Beides lässt sich miteinander verbinden. Es ist wichtig, dass das Wachstum nicht mit neuen Schulden finanziert wird. Aber es gibt genügend andere Möglichkeiten, etwa indem Vertrauen gewonnen wird. Ein gutes Beispiel war, dass die EZB den Banken mit zwei Tranchen geholfen hat, die Liquidität zu stärken.

Und auch damit die Geldmenge wieder erhöht, die uns nun Inflation bringt.

Die Banken geben das Geld zurück, das ist kein Geschenk. Aber zum Wachstum: Es gäbe auch genügend Schatullen, deren Inhalt mehr Wachstum finanzieren könnte, etwa in der EU-Forschungs- und Regionalpolitik. Oder bei der europäischen Investitionsbank.

Das sind kleine Schatullen. Damit finanziert man kein gesamteuropäisches Wachstum.

Das sehen wir anders.

Sie fordern von der EZB, für mehr Wachstum zu sorgen. Die Deutsche Bundesbank signalisiert bereits, dass mehr Inflation in Kauf genommen wird. Sonst kann die EZB nur Zinsen senken oder die Geldmenge erhöhen und damit Inflation auch erzeugen. Ist das auch Ihr Weg?

Die Inflation ist zuletzt zurückgegangen. Aber die EZB kann wie die US-Fed auch eine Zinsgarantie für ein paar Jahre abgeben. Das wäre auch in Europa eine gute Möglichkeit.

Sie haben sich auch für eine Erhöhung der Geldmenge ausgesprochen und sich damit gegen den deutschen Finanzminister Schäuble gestellt.

Das war am 6.Dezember des Vorjahres und wie Ihnen sicher nicht entgangen ist, ist genau das passiert: Die EZB hat die Geldmenge erhöht. Das Problem hat sich noch nicht vollständig gelöst, aber vorerst erledigt.

Das ist doch nicht erledigt, die Eurokrise ist nicht ausgestanden, wie man in Griechenland sieht. Soll gegebenenfalls zwecks Anleihenkauf und Schutzschirm-Erhöhung wieder gedruckt werden?

Mein Schwerpunkt wäre ein anderer: nämlich für mehr Wachstum zu sorgen. Das sieht man auch in Griechenland. Dort werden die auf den Staat ausgerichteten Maßnahmen nicht ausreichen, der Fokus müsste auf dem Konsum der Bürger und den Investitionen der Wirtschaft liegen.

Klingt in meinen Ohren wieder nach Abkehr vom Sparen hin zum Stimulieren. Sie haben auch gesagt, der Wahlausgang in Griechenland und auch in Frankreich sei „wichtig“. Klingt nicht nach einem typischen konservativen Politiker der EU. Was haben Sie denn damit gemeint?

Damit habe ich gemeint, dass vielfach in den Medien kommentiert wird, durch die Wahlentscheidungen wären Probleme entstanden. Es ist in beiden Ländern ähnlich: Bestehende Probleme wurden sichtbar gemacht und aktualisiert. Der designierte französische Präsident fordert neue Maßnahmen, die man diskutieren wird.

Und tritt eben genau gegen den Fiskalpakt auf.

Das sagt er nicht prinzipiell. Wir wollen das auf jeden Fall ergänzend: Fiskalpakt plus Maßnahmen für mehr Wachstum. Aber keine neuen Schulden.

Was ist mit Griechenland?

Es ist gut, überall zu sehen, dass es nichts bringt, in einer schwierigen Situation einer kleinen Protestpartei die Stimme zu geben. Und die Vertreter der EU werden sich gezwungen sehen, ihre Politik und das System bei den Betroffenen vor Ort zu erklären, auch in Griechenland. Das ist gut.

Aber es ist doch naiv zu glauben, dass so Populismus verschwindet.

Das ist es nicht. Es ist genau das Problem: Dass die EU-Politik nicht erklärt wird. Das muss in Griechenland endlich geschehen. Politiker müssen die Bürger mehr einbinden.

Nach Ihrer These wäre ein FPÖ-Wahlerfolg bei einer Wahl auch „wichtig“, weil damit bestimmte Probleme „aktualisiert“ würden, wie Sie sagen.

Moment, es geht am Beispiel von Frankreich und Griechenland um Lösungsansätze für ein europaweites Problem, also genau um solche Wahlergebnisse zu vermeiden.

Warum hört man von Ihnen immer wieder Positionen, die je nach Sichtweise links bis pragmatisch klingen?

Es geht nicht um linke und rechte Positionen, sondern um logisch begründete Verhaltensweisen. Vielleicht sage ich manchmal etwas zu früh, aber das, wohin der Zug fährt: wie bei den Maßnahmen nach mehr Wachstum. Aber die Sicht der Partei ist dann die gleiche.

Auf einen Blick

Reinhold Mitterlehner (56) ist seit 2009 ÖVP-Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend. Vorher war er – von Dezember 2008 bis Jänner 2009 – Minister für Wirtschaft sowie acht Jahre lang Nationalratsabgeordneter. Nachdem er sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Linz im Jahr 1980 abgeschlossen hatte, begann er seinen beruflichen Werdegang in der Wirtschaftskammer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2012)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.