Jens Harzer im Interview: "Handke feiert die Frauen und vernichtet sie"

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Jens Harzer, der Hauptdarsteller in "Die schönen Tage von Aranjuez", spricht über die Liebe bei Peter Handke, lobt Schrulligkeit und Eigensinn des Dichters und erklärt die Bezüge des Stückes zu "Don Carlos".

Die Presse: „Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende“, sagt der Priester zu Don Carlos. „Die schönen Tage von Aranjuez“ nannte Peter Handke sein Stück, dessen Uraufführung Festwochen-Intendant Luc Bondy im Akademietheater inszeniert. Worum geht es?

Jens Harzer: Handkes Setzung ist simpel. In einem eingebildeten oder realen Garten, das bleibt offen, treffen Mann und Frau einander, sie versuchen, über die Liebe zu sprechen, und das ist keinesfalls einfach.

Gibt es Parallelen zu „Immer noch Sturm“, Handkes letztem Stück, in dem Sie die Hauptrolle, nämlich ihn inmitten seiner Familie, spielten?

„Die schönen Tage von Aranjuez“ sind ein komplett anderes Stück. „Immer noch Sturm“ ist ein Weltentwurf und in gewisser Weise das bessere Stück. Allerdings ist „Aranjuez“ dennoch interessant.

Hat das Drama etwas mit „Don Carlos“ zu tun? Sie spielen gerade den Marquis Posa in Berlin.

Für mich persönlich war „Die schönen Tage von Aranjuez“ lange Zeit ein Gespräch zwischen Königin Elisabeth und Marquis Posa. Es gibt auch viele andere Verweise auf Literatur. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Handke den Titel zufällig gewählt hat. Marquis Posa und Königin Elisabeth sind das ideale Paar in „Don Carlos“, die zwei sind einander ideologisch und intellektuell am nächsten. Posa versucht Königin Elisabeth für seine politischen Visionen auf seine Seite zu ziehen. Die beiden haben höchstwahrscheinlich eine gemeinsame Utopie, wobei eine weitere Besonderheit ist, dass sie einander nicht begehren, wiewohl das zwischen ihnen im Raum steht. Diese ganze Konstellation kann man in manchen Punkten an Handkes Stück dranhalten, wenn man frei assoziieren möchte, und sein Drama als Fortschreibung denken, auch wenn er das nicht durchdekliniert.

Ist es für einen Schauspieler anders, Handke zu spielen als andere Autoren?

Was ich als typisch bei Handke sehe: Er verweigert das Drama, bei seinen Stücken geht es nicht um einen auf der Hand liegenden Konflikt. Er hat nicht nur eine ganz eigene Poetologie, es ist auch sehr eigentümlich mit ihm am Theater umzugehen.

Gibt es in diesem Stück auch Humor? „Wie seid ihr in diesen Zwinger hineingezwitschert?“, heißt es einmal über ein religiöses Internat. Handke war selbst in einem solchen,

Diesen Satz haben wir gestrichen. Humor, ich hoffe ja. Aber dieses Stück erzählt sich nicht von selbst, man darf es sich auf keinen Fall gemütlich machen in diesen Dialogen. Es reicht nicht, Mann und Frau über die Liebe reden zu lassen, wobei ja sie spricht und er ist verdammt, zu fragen und zuzuhören, jedenfalls bis zur Mitte des Stückes.

Handke hat der Frau Äußerungen in den Mund gelegt, die ihn vermutlich bei seinen eigenen Beziehungen genervt haben: Die Frau gibt dem Mann die Schuld an allem, was in ihrem Leben schiefgegangen ist. Frauen sind schön, aber sobald man sie erobert hat, beginnen sie zu spinnen. Sie machen die Männer zu Schweinen, heißt es da einmal in Anlehnung an Odysseus bei Kirke.

Das wird in dieser Besetzung nicht funktionieren, dass ein alter Hagestolz sich von einer jungen Frau erzählen lässt, wie ihr erstes Mal war. Mit Dörte Lyssewski und mir ist das eine andere Konstellation. Ich gebe Ihnen recht, dass da vielleicht ein gewisser biografischer Anteil ist: Der Jähzorn, der Widerspruchsgeist gegenüber Frauen. Handke feiert die Frau und vernichtet sie. Trotzdem ist er ein toller Erfinder von Frauenfiguren.

Sind Sie Handke jemals begegnet? Wie war das für Sie? Er hat sich gefreut, dass Sie sein Alter Ego in „Immer noch Sturm“ gespielt haben, er fand sie also offenbar sehr authentisch.

Wir sind uns nur einmal – bei der Generalprobe von „Immer noch Sturm“ in Salzburg – begegnet. Ich mag diesen Autor. Ich bin ein treuer Leser. Mein Lieblingsbuch ist „Die Wiederholung“, diese Wanderung von Kärnten durch Slowenien und wieder zurück nach Kärnten hat am meisten mit „Immer noch Sturm“ zu tun. Man muss in die poetische Weltsicht von Handke eindringen.

Viele finden Handke unzugänglich, geradezu esoterisch. Jene, die ihn mögen, haben das Gefühl, er spricht ganz direkt über ihre innere Welt.

Man darf nicht ganz auf ihn hereinfallen, man muss ihn auch austricksen und überlisten, jedenfalls im Theater. Gemeinhin glaubt man, es strömt alles aus ihm heraus, was er erzählt. In Wahrheit ist das alles höchst konstruiert. Handkes Credo ist, dass sich die Welt nicht in den Hauptstraßen, sondern in den Winkeln abspielt. Wenn man nach dem Plot in seinen Büchern sucht, ist man fehl am Platz. Bei Handke ist nicht die Geschichte erzählenswert, sondern das Erzählen selber ist erzählenswert. Wenn man das nicht mögen kann, wird man bei Handke immer draußen bleiben.

Er macht seine Fans zu Bewohnern des elfenbeinernen Turms, was meinen Sie?

Was mir an Handke gefällt, ist dieses Beharren auf dem eigenen Weltblick, das finde ich geradezu vorbildlich, diesen Don-Quijote-Punkt. Er sagt: Ich sehe die Welt, wie ich sie sehe, und das ist zu verteidigen. Das ist mein Gut, mit dem ich in die Welt ziehe. So sind ja auch viele seiner Figuren. Mit einer gewissen Schrulligkeit beharrt er auf der Subjektivität. Wer macht das schon? Das ist toll!

Wie sind Sie zum Theater gekommen? Sie haben mit vielen wichtigen Regisseuren gearbeitet. Sie sind sehr erfolgreich, wirken aber eher schüchtern. Wie haben Sie das gemacht?

Nichts ist unerträglicher als wenn Schauspieler behaupten, sie hätten immer schon diesen Beruf ergreifen wollen. Ich war in der Schultheatergruppe. Ich habe es auf der Schauspielschule probiert und irgendwie dann geschafft. Ich wurde engagiert – und bin groß geworden am damals besten Ensemble in Deutschland, an den Münchner Kammerspielen in der Zeit von Dieter Dorn. Es war Glück. Wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich etwas anderes gemacht.

Schauspieler und Stück

Jens Harzer, 1972 in Wiesbaden geboren, war bei den Salzburger Festspielen zu sehen: als Tod im „Jedermann“, in „Verbrechen und Strafe“ (Dostojewski) sowie in „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ von O'Neill. 2011 wurde er für seinen Marquis Posa in Berlin zum „Schauspieler des Jahres“ gewählt.

Premiere von Handkes „Die schönen Tage von Aranjuez“: Akademietheater, 15.Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2012)

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