Musikalische Aperçus zu Paul Angerers Geburtstag

Wer kann heute noch aus dem Stegreif einen Kanon komponieren? Und dann Leute dazu bringen, diesen Kanon auch gleich zu singen?

Wenn was falsch ist, ist es falsch. Das sagt er dann. Recht grad heraus. So einer macht sich nicht nur Freunde. Aber das war ihm, glaub ich, immer egal. Es geht ja nicht um irgendwelche Freunde. Es geht ja um Mozart. Und um solche kleinen Kostbarkeiten wie die Flötenquartette. Das mag er nicht, wenn einer so gesprächsweise fallen lässt, die Flötenquartette, das seien irgendwie Nebenwerke, irgendwie nicht ganz mit Herzblut komponiert.

Irgendwie gibt's nicht. Schon gar nicht, weil irgendwann irgendeiner irgendwo geschrieben hat, die Flötenquartette von Mozart zählen nicht zu den Hauptwerken. So etwas pflanzt sich fort, wird tradiert und immerfort nachgeplappert.

Sollen die Leut' doch lieber die Noten herausholen, auflegen und selber spielen. Und draufkommen, wie viel zauberhafte Detailarbeit in der Musik drinsteckt. Wie viel Freude das machen kann, so etwas zu musizieren. Die Flötenquartette! Das ist wunderbare Musik.

Und überhaupt gibt es ja zwei Mozarte – genau genommen sogar drei, aber man muss nicht übertreiben. Sohn Mozart heißt, wenn wir schon dabei sind, jedenfalls nicht Amadeus, sondern Amadé. Nirgendwo schreibt er Amadeus, immer unterzeichnet er mit Amadé! Aber das werden wir wahrscheinlich nie durchsetzen.

Nur selber kann man es konsequent so sagen. Und Mozart-Werke aufführen, versteht sich. Nicht nur solche von Wolfgang Amadé, sondern auch vom Papa, dem Leopold.

Und von Haydn. Nicht nur dem Joseph, sondern auch auch dem Michel, dem großen Salzburger Haydn.

Die Notenkisten sind voll von Meisterwerken. Werken von Meistern, die mit Recht so genannt werden, weil sie Handwerker waren, die ihren Beruf von der Pike auf gelernt haben, als Lehrlinge und Gesellen, wie der rechte Dirigent ja auch ein Kapellmeister ist. Ein Meister halt, der nicht nur vorn steht und die Luft zerteilt, sondern einer, der im Ernstfall auch die Violine spielen kann, im besten Fall am Klavier sitzt und sein Ensemble von dort aus regiert.

Der auch seine Noten selber ausschreiben kann, Dinge umarrangieren für den jeweiligen Bedarf, weil er als g'lernter Kapellmeister auch Komponist ist. Und sein Publikum mit selbst komponierten Kanons dazu bringt, zum Abschluss eines Konzerterlebnisses mitzusingen. So gut es geht selber Musik zu machen. Denn darauf kommt es an.

Paul Angerer hat das in seiner langen Erfahrung als schöpferischer und nachschöpferischer Musiker gelernt, als Kapellmeister in Bonn oder Ulm, in Salzburg, als Ensembleleiter und als einer, der auch als Radiomoderator das tut, was er am liebsten macht: Musik unter die Leut' bringen.

Dieser Tage wird er 85. Er feiert, indem er Musik unter die Leut' bringt! Weiterhin. Ad multos annos.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2012)

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