Angst vor Abspaltung in Tiroler VP

Angst Abspaltung Tiroler
Angst Abspaltung Tiroler(c) Dapd (Hans Punz)
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Vor den Landtagswahlen 2013 steckt Landeshauptmann Günther Platter im Popularitätstief. Zudem denkt der Wirtschaftsbund über eine eigene Liste nach. Auch innerhalb der Landes-ÖVP werden Stimmen laut, die Platters Auswechslung fordern.

Innsbruck/Wien. In den kommenden Tagen dürfte in Innsbruck die neue Stadtregierung stehen. Entweder mit der ÖVP – in einer Viererkoalition mit der Bürgermeisterliste „Für Innsbruck“, den Grünen und der SPÖ – oder ohne sie. Dann bekäme die Tiroler Landeshauptstadt die Ampelkoalition bestehend aus „Für Innsbruck“, Grünen und SPÖ.

Aus beiden Szenarien wird die Volkspartei als große Verliererin hervorgehen, was hinsichtlich der Landtagswahlen spätestens im Juni 2013 – wahrscheinlich schon im März oder April – ein weiterer herber Rückschlag für VP-Landeshauptmann Günther Platter ist, der zuletzt wegen angenommener Jagdeinladungen unter Druck geraten ist.

Gehört die ÖVP der neuen Regierung nicht an, bedeutet das eine große persönliche Niederlage für Platter, der sich bereits vor der Wahl für eine Zusammenarbeit der beiden bürgerlichen Listen „Für Innsbruck“ und ÖVP aussprach. Koaliert die Volkspartei doch mit der Bürgermeisterliste, den Grünen und der SPÖ, muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, im Disput um die Anzahl der Sitze im Stadtsenat eingeknickt und ihren Vorsätzen nicht treu geblieben zu sein.

Denn hatte Spitzenkandidat Christoph Platzgummer bis zuletzt auf eine Aufstockung von sieben auf neun Senatssitze gepocht, ruderte er am Freitag kleinlaut zurück und vermeldete zur Überraschung vieler (auch Fraktionskollegen), die Beibehaltung der sieben Sitze „zur Kenntnis zu nehmen“. Diese Einsicht kam freilich nicht aus heiterem Himmel, ihr war die Ausladung seiner Partei von den Koalitionsgesprächen durch Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer vorausgegangen.

Drohender Machtverlust nach den Wahlen

Hinzu kommt, dass die in der Bevölkerung ausgesprochen beliebte Amtsinhaberin, die auch im VP-Landesparteivorstand sitzt, kurz vor der Stichwahl am 29.April zum verbalen Rundumschlag gegen Platter ausholte und ihm unter anderem „Günstlingswirtschaft“ vorwarf. Da sie durch ihre radikale Distanzierung zu Platter die Wähler aus dem konservativen Lager nicht nur nicht vergrämte, sondern sogar für sich mobilisieren konnte, ist die seit Jahren immer wieder aufkeimende Idee einer ÖVP-Abspaltung auf Landesebene nach dem Vorbild von „Für Innsbruck“ nicht mehr nur ein zu vernachlässigendes Gerücht.

Treibende Kraft hinter einer möglichen Liste „Für Tirol“ ist der mächtige Wirtschaftsbund, der sich – seiner Funktion als Geldgeber bewusst – von Platters stark Bauernbund- und AAB-lastiger ÖVP latent unterrepräsentiert fühlt. Bisher scheiterten die Bemühungen an einem charismatischen Zugpferd. In jüngster Vergangenheit allerdings fiel in Wirtschaftsbundkreisen immer wieder der Name Anna Hosp. Die in die Privatwirtschaft gewechselte ehemalige VP-Landesrätin ließ sich bisher aber nicht in die Karten blicken.

Aber auch innerhalb der Landes-ÖVP werden immer wieder Stimmen laut, die angesichts des drohenden Machtverlustes (die 40,5Prozent aus dem Jahr 2008 werden nicht zu halten sein) Platters Auswechslung fordern. Befindet sich der frühere Innenminister – gemessen an seinen Vorgängern – doch seit Jahren im Popularitätstief.

Zudem hat er sich seit seiner Wiederbestellung zum Bürgermeister von Zams 1998 keinem Volksentscheid mehr gestellt und fällt im Vorfeld der Wahlen nächstes Jahr, bei denen er es auch mit dem begnadeten Volksredner Fritz Dinkhauser zu tun hat, mit keiner erkennbaren Strategie auf. Traditionell regelt die ÖVP ein solches Dilemma durch eine Nacht der langen Messer, was ohne Personalalternative kein vielversprechendes Unterfangen ist und daher ausbleiben wird.

FPÖ profitiert nicht vom Bundestrend

Die Personalfrage beschäftigt derzeit im Übrigen auch die Grünen. Bei der Landesversammlung am 16.Juni dürften für die Position des Spitzenkandidaten Landessprecherin Ingrid Felipe ebenso antreten wie die Landtagsabgeordneten Gebi Mair und Christine Baur, Letztere ohne realistische Chancen. Favorisiert wird Felipe. Klubobmann Georg Willi, Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2008, tritt nicht mehr an. In jedem Fall gilt als sicher, dass die Grünen ihr Ergebnis aus dem Jahr 2008 (10,73Prozent) deutlich verbessern werden.

Auch die SPÖ mit ihrem langjährigen Spitzenkandidaten, Landeshauptmannstellvertreter Hannes Gschwentner, dürfte mit dem Rückenwind seiner steigenden Sympathiewerte im Vergleich zum äußerst schwachen Ergebnis 2008 (15,46Prozent) etwas zulegen.

Mit deutlichen Verlusten muss hingegen Politrebell Dinkhauser (Liste Fritz – Bürgerforum Tirol) rechnen. Die sensationellen 18,35Prozent bei der letzten Wahl werden unerreichbar sein, zu viel haben sich seine Anhänger von Dinkhauser nach dessen triumphalem Einzug in den Landtag erwartet. Hoffnungen – etwa auf eine Regierungsbeteiligung –, die nicht erfüllt wurden.

Wie schon bei der Gemeinderatswahl dürfte die FPÖ auch bei den Landtagswahlen nicht vom Fleck kommen. Nach diversen Parteiausschlüssen und leeren Wahlkampfkassen ist nicht davon auszugehen, dass die Freiheitlichen mit ihrem Spitzenkandidaten Gerald Hauser vom positiven Bundestrend profitieren und ihr Ergebnis von 2008 (12,41Prozent) wesentlich steigern werden.

Erneut antreten wird auch Fritz Gurgiser mit seinem Bürgerklub Tirol. Der (knappe) Einzug in den Landtag ist wahrscheinlich. Der Transitforum-Chef war 2008 die Nummer zwei auf Fritz Dinkhausers Liste. Im Juni 2009 gipfelten aber Differenzen mit Dinkhauser in einem Parteiausschluss Gurgisers, der den Bürgerklub Tirol gründete.

Auf einen Blick

Querelen. Die verlorene Bürgermeisterwahl der ÖVP in Innsbruck hat auch bei der Landespartei Konflikte zutage gebracht, die schon länger unter der Oberfläche schwelen. Der mächtige Wirtschaftsbund fühlt sich in der VP unterrepräsentiert und liebäugelt vor der Landtagswahl nächstes Jahr mit einer Abspaltung von der Volkspartei nach dem Vorbild von „Für Innsbruck“. Zudem befindet sich Landeshauptmann Günther Platter im Popularitätstief.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2012)

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