Der grüne oberösterreichische Landesrat Rudolf Anschober wünscht sich im Interview mit der "Presse" Rot-Grün auch auf Bundesebene und lobt die gute Arbeit von Spitzenkandidatin Eva Glawischnig.
Die Presse: Ihre Parteikollegin und Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou macht sich für eine rot-grüne Koalition auch auf Bundesebene stark. Werben Sie mit gleicher Begeisterung für Schwarz-Grün im Bund?
Rudolf Anschober: Ich trete für einen Neustart in Österreich ein. Und diesen wird es nur mit deutlich gestärkten Grünen geben. Mein erklärtes Ziel: Bei der Nationalratswahl müssen wir mehr als 15 Prozent der Stimmen erlangen.
Die Grünen hatten zuletzt 10,4 Prozent der Stimmen. Ein Sprung auf mehr als 15 Prozent ist eher eine Hoffnung als eine realistische Einschätzung.
Es muss eine Mehrheit mit den Grünen möglich sein. Dafür müssen wir deutlich zulegen. Sonst bleibt nur Stillstand der sogenannten großen Koalition oder Strache an der Macht.
Und der Wunschpartner für eine Koalition?
So gut Schwarz-Grün in Oberösterreich funktioniert, die Bundes-ÖVP entfernt sich immer stärker von den Grünen und ist etwa in der Umwelt-, Energie- oder Bildungspolitik in einem verheerenden Zustand. Auch Beschäftigungschancen, die sich durch „Green Jobs“ ergeben würden, bleiben ungenützt.
Bleibt die SPÖ.
Rot-Grün ist derzeit sicher wahrscheinlicher. Aber jetzt geht es nicht um Koalitionsspiele, sondern um die Weichenstellung für erfolgreiche Nationalratswahlen. Ein starker grüner Wahlerfolg ist absolut möglich. Die Grünen sind derzeit extrem erfolgreich mit ihrer konsequenten Kontrollarbeit. Würden die Grünen nicht so stark auftreten, dann wäre vieles an Aufklärung nicht möglich. Wir wollen nun das strengste Transparenz- und Anti-Korruptionsgesetz Europas.
Abseits der Kontrollfunktion fällt mir inhaltlich kaum etwas ein, wofür die Grünen derzeit stehen.
Ganz im Gegenteil. Wir haben es geschafft, in allen politischen Bereichen kompetente Alternativkonzepte auszubauen. Wir sind als Protestpartei entstanden, wurden dann zur Konzeptpartei und sind jetzt am Sprung zur Gestaltungspartei. Bisher war unser Problem, dass wir uns zu wenig stark auf einige ausgewählte Schwerpunkte konzentriert haben, um diese auch sichtbar zu machen.
Welche Schwerpunkte hätten Sie anzubieten?
Die Grünen zu wählen, heißt, für das strengste Anti-Korruptionsgesetz und eine neue politische Kultur zu sein. Nur Grün in der Regierung bringt aber auch die notwendige Bildungsreform für Österreich und die überfällige Energiewende mit der Chance auf einen neuen Jobmotor. Das beweisen wir in Oberösterreich seit acht Jahren eindrucksvoll.
Kann man mit einer Spitzenkandidatin Eva Glawischnig derzeit in Österreich überhaupt eine Wahl gewinnen?
Eva Glawischnig macht gute Arbeit. Sie hat meine absolute Kollegialität.
Sind Sie mit dem Transparenzpaket – Stichwort Parteispenden – zufrieden?
Ohne die Grünen würde es weder Aufklärung noch Reformen geben. Das vorgelegte Paket hat aber große Schwachstellen und Löcher wie ein Emmentaler. Es muss massiv nachjustiert werden. Wir brauchen nicht nur eine Offenlegung der Spenden, sondern aller Leistungen wie Inserate, Sach- oder Personalunterstützung. Es braucht eine viel bessere Kontrollmöglichkeit für den Rechnungshof und härtere Strafen bei Verstößen gegen die Transparenzregelungen. Was heute vorliegt, reicht bei Weitem noch nicht.
Wenn man – wie die Grünen – kaum Spenden erhält, kann man leicht streng sein.
Wir legen seit Jahren unsere Budgets offen und sparen bei den Wahlkampfkosten. Vielleicht sollten wir bei den Wahlkämpfen über Reformen nachdenken: Ich habe den französischen Präsidentschaftswahlkampf beobachtet. Dort gibt es öffentliche Plakatflächen für alle Kandidierenden und eine starke Beschränkung der Inseratentätigkeit, dafür aber Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die in der Schlussphase des Wahlkampfs den Parteien zur Verfügung stehen.
Zur Person
Rudolf Anschober (51) ist seit dem Jahr 2003 als grüner Landesrat in Oberösterreich für die Bereiche Umwelt, Energie, Wasser und Konsumenten verantwortlich. Er ist in einer Koalition mit der ÖVP, die den Landeshauptmann stellt. [Fabry]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2012)