Das Vertrauen in den Euro bröckelt

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Spaniens Zinsen steigen gefährlich hoch, ein Austritt Griechenlands könnte die Eurozone zerbrechen lassen. Die Eurokrise verschärft sich trotz aller Rettungsversuche.

Wien/Madrid/Jil/Rs/Ag. Der Mann wirkt gehetzt. Seine Augen flackern unruhig. Nervös blickt Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy in die Runde, rattert noch schneller als üblich seine Beschwörungen herunter, dass Spanien nicht ohne Hoffnung sei. Dann rennt er zum Telefon, ein wichtiger Anruf wartet. Hektische Zeiten für Rajoy, der angesichts immer neuer Brände nicht mehr so recht weiß, an welcher Front er zuerst löschen soll.

Rajoy muss unbedingt verhindern, dass sein Land so wie Griechenland endet. Kein Rettungsschirm der Welt kann Spanien auffangen, sollte es kippen. Und selbst wenn: Die Strategie „Rettungsgeld für Reformen“ ist schon in Griechenland gescheitert. Die Reformen stocken, das Land versinkt im politischen Chaos, und auch ein Schuldenschnitt konnte die Lage nicht mildern.

Kommt der „Grexit“?

In Athen geht das Gerücht um, Griechenland könnte schon am 10.Juni (eine Woche vor den Neuwahlen) das Geld für Pensionen und Beamtengehälter ausgehen – der Staatsbankrott wäre unausweichlich. Auch ein Austritt Griechenlands aus dem Euro („Grexit“) wird jetzt erstmals auf höchster Ebene in Erwägung gezogen – was wiederum das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung untergräbt. Der Euro fiel am Freitag auf bis zu 1,2643 Dollar. Der Goldpreis kletterte auf 1250 Euro pro Unze.

In Griechenland hat ein schleichender Bank-Run begonnen. Auch in Spanien verschärft sich die Bankenkrise, nachdem die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit von 16 spanischen Geldinstituten um bis zu drei Stufen fallen ließ. Betroffen sind auch die Großbanken Santander, BBVA, Caixabank und die BFA-Bankia, letztere musste vom Staat gerettet werden. Die Bonität wird allgemein nur noch als mittelmäßig, bei einigen Geldhäusern als schlecht eingestuft. Zuvor hatte die Agentur Standard & Poor's die Bankenbranche abgestraft.

Hinzu kommt, dass der Zinssatz, den Spanien für frisches Geld an den Märkten zahlen muss, sich auf gefährlicher Höhe einpendelt. Bis zu 6,5 Prozent verlangten die Anleger in den letzten Tagen für langfristige Staatsanleihen. Das ist nicht mehr weit von jener kritischen Sieben-Prozent-Schwelle entfernt, bei der Griechenland, Irland und Portugal um Hilfe rufen und um Notkredite des Euro-Rettungsfonds flehen hatten müssen. Angesichts des Bankendramas, immer neuer Löcher im Staatshaushalt und einer abstürzenden Wirtschaft verliert das Ausland den Glauben, dass Spanien noch aus eigener Kraft aus der Krise kommt.

Griechenland wurde indes von der Ratingagentur Fitch weiter herabgestuft: von B- auf CCC. Das Land steht trotz Schuldenschnitts, Reformbemühungen und Rettungsmillarden der anderen Euro-Länder vor dem Staatsbankrott. Die griechischen Banken scheinen dem schleichenden Bank-Run bisher nur widerstehen zu können, weil sie von der griechischen Zentralbank via „Emergency Liquidity Assistance“ mit frisch gedrucktem Geld versorgt werden.

Alle Zeichen stehen auf weitere, noch größere Interventionen durch die Zentralbanken. Im Falle eines Euro-Austritts Griechenlands dürfte vor allem die EZB zu einer weiteren Liquiditätsversorgung der Banken gezwungen sein. „Die europäischen Märkte scheinen sich ihrem Schicksal zu ergeben und stellen sich auf die Folgen eines Euro-Austritts Griechenlands ein“, sagte Hedgefonds-Manager Lec van Dam von Hampstead Capital. Und weiter: „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die EZB eingreifen wird, bevor die Situation eskaliert.“ Fragwürdig ist allerdings, ob weitere Geldspritzen eine Eskalation überhaupt verhindern können.

Unmut in Deutschland

In Deutschland, dessen Steuerzahler den Großteil der Eurorettungsgelder bezahlen müssen, wächst indes der Unmut: Schon jeder zweite Deutsche hält die Euro-Einführung für einen Fehler, wie eine Umfrage für die ARD ergeben hat. Dass die Eurokrise eine neue Qualität erreicht hat, zeigt sich auch hier: Inzwischen bietet auch die österreichische Interwetten Quoten auf den Eurozerfall. Die Chancen, dass Griechenland den Euro noch 2012 verlässt, beziffert Interwetten auf exakt 50 Prozent. Bei der weltgrößten privaten Gelddruckfirma De La Rue in England ist man auf die Drachme schon vorbereitet, die Aktie des Unternehmens stieg am Freitag.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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